Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil 1 1763 - 1820

5 Anfang und Aufbau

5.3 Selbstverwaltung

Die Kolonisten erhielten 1769 auf lokaler Ebene das Recht auf Selbstverwaltung. Sie durften alle drei Jahre einen Dorfschulzen und seine Beisitzer wählen. Auf Bezirksebene - drei bis fünfzehn Dörfer zusammengefasst - wurde ein Oberschulze gewählt. Die Gewählten mussten allerdings von der Tutelkanzlei bestätigt werden.

Zu Schulzen und Beisitzern sollten nur "nüchterne und unverdächtige" Männer mittleren Alters mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt werden, die sich als tüchtige Landwirte erwiesen hatten.

Die Befugnisse der Schulzen waren relativ weitreichend. Sie konnten unordentliche und faule Siedler ermahnen und mit Geldstrafen belegen. Wenn es ihnen notwendig erschien, vermochten sie die Betreffenden aber auch mit Gemeindearbeiten zu beauftragen oder sogar bei "Wasser und Brot" zu arretieren. Brachten diese Strafen nicht den gewünschten Effekt, so war der Dorfschulze im Einverständnis mit den angesehensten Kolonisten sogar berechtigt, Körperstrafen zu verhängen (bis zu 30 Peitschenhiebe).

Bei Verstößen gegen kirchliche Gesetze konnten Geldstrafen verhängt werden, wobei diese in die Kirchenkasse eingezahlt werden mussten.

Das so genannte Kolonialstatut fasste 1857 die einzelnen Bestimmungen zur Selbstverwaltung zusammen. Danach hatten die Schulzen und ihre Beisitzer neben den bereits erwähnten Aufgaben darauf zu achten, dass So sollten die Schulzen darauf achten, dass alle Dorfbewohner "ein nüchternes, ruhiges und arbeitsames Leben führten, wie es ihrem Stand zukommt." Sowohl diejenigen, die diese Normen erfüllten, als auch Personen, die dagegen verstießen, sollten in einer Liste erfasst werden. Den Letztgenannten drohte nach mehrmaliger Ermahnung der Verlust ihres Landes. Es sollte "guten und fleißigen Familien" zufallen, bei denen sie dann als Knechte zu arbeiten hätten. Eine Aufforderung zur Denunziation, von der aber, so weit bekannt, kein Gebrauch gemacht wurde.

Unter einem "nüchternen, ruhigen und arbeitsamen Leben" wurde auch der Verzicht auf jedwede "Ausschweifung"" verstanden. Die Schulzen sollten darauf achten, dass bei Kindstaufen oder Hochzeiten keine übertrieben üppigen Ausgaben getätigt werden.

Bei wiederholten Verstößen waren diese Personen zusammen mit einem Bericht an die Obrigkeit zu überstellen. Ihnen drohten Haftstrafen.
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