Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil I 1763 - 1820

1 Gründe für die Auswanderung

1.1 wirtschaftliche Auswanderungsgründe

1.1.5 Verarmung

1.1.5.3 Arbeits-, Werk- und Zuchthäuser

Aus dem 17. und 18. Jahrhundert kennen wir die Unterbringung und Beschäftigung von Armen in speziellen Einrichtungen, die man als Armen-, Arbeits-, Werk- oder Zuchthäuser bezeichnete.

Derartige Anstalten dienten mehreren Zielen:

Das landesherrliche Interesse an der Nutzung möglichst aller Arbeitskräfte führte frühzeitig zu dem Gedanken der Arbeitserziehung. Die zeitgenössische Ansicht, allein Arbeit mache den Menschen glücklich, sie sei die beste Form der Fürsorge, führte zur Verbindung des Strafvollzuges mit Zwangsarbeit.

Eine zeitgenössische Definition für ein Werk- oder Zuchthaus lautet:

Eine solche Einrichtung "ist ein Haus oder Gebäude, so von der Obrigkeit unterhalten wird, daß darin trotzige und ungehorsame Kinder, erwachsene unbändige, in dem Müßiggang und Boßheit verwilderte Leute, sammt denen durch rechtlichen Anspruch zur Arbeit verwiesenen Missethätern, unter der Aufsicht eines Zuchtmeisters und anderer hierzu bestellter Leute bezwungen, gebessert und streng gehalten werden."

Als potentielle Insassen dieser Anstalten wurden "Faulenzer und Müßiggänger, die nicht arbeiten wollen, da sie doch wohl könnten, sondern nur daheim müßig sitzen, die Hände in schoß legen, auf anderer Leute Brod=Schränke sich verlassende, indem sie ihnen die Kinder häuffig vor die Thüren schicken, und die Bettel=Stück sich zutragen lassen ... oder wenn das Betteln nicht zureichen will, sie sich auf das Stehlen in Felde, Gärten und Häusern begeben" betrachtet.

Das 1732 in Bamberg eröffnete Zuchthaus hatte neben der Züchtigung "ungetreuer, trotziger Dienstboten" ausdrücklich den Zweck, erzieherisch auf vernachlässigte Jugendliche einzuwirken und "faule Bettler" zu beschäftigen. Hier tritt der Aspekt der "Sozialdisziplinierung" deutlich hervor.

Neuankömmlinge wurden im Bamberger Zuchthaus übrigens mit zwölf Stockhieben empfangen, sozusagen als Einstimmung auf das Regime, dem sie von nun an unterworfen waren.

Die männlichen Insassen wurden unter anderem zum Glasreinigen, Holzspalten und Anfertigen von Weidenkörben eingesetzt. Wem es gelang, mehr als sechs Weidenkörbe in der Woche zu flechten, der erhielt für jeden zusätzlichen Korb 13 Pfennige. Weitere 13 Pfennige wurden gespart. Dieses Geld erhielt derjenige dann bei seiner Entlassung, bei der nochmals 12 Stockhiebe zu ertragen waren.

Die angestrebte sozialdisziplinierende Wirkung der Werk- oder Zuchthäuser resultierte vor allem aus ihrem abschreckenden Ruf, der auf der Behandlung der Insassen, ihrer Unterbringung und Verpflegung sowie den Arbeitsbedingungen in den Anstalten beruhte.
Startseite  |   zurück  |   Inhalt   |   nach oben