Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

3 "Deutsche Frage" und Lösungswege

3.1 "Vorbildrolle"

3.1.1 Musterwirte

3.1.1.1 Zeitgenössische Berichte

Der Revisor Postnikow berichtet 1882 von seinen Studienreisen, dass sich die deutschen Kolonisten bei ihren russischen Nachbarn "absolut keiner großen Sympathie erfreuen...". Als Grund nennt er die "große Abgeschlossenheit der hiesigen Deutschen, die im Bewußtsein ihrer kulturellen Überlegenheit auf die Russen herabblicken und nicht selten im Umgang mit ihnen verletzenden Hochmut zeigen". Er verwies aber darauf, dass die russische Bevölkerung durchaus Unterschiede machte. So habe man eine sehr hohe Meinung von den Mennoniten, denen wegen ihres Fleißes, ihrer Enthaltsamkeit und Strenge mit hoher und ehrlicher Wertschätzung begegnet wurde.

Der Reisende Sir Donald Makkenzie Wallace gewann bei einem Besuch Russlands 10 Jahre vorher einen ähnlichen Eindruck.

  "Unter den deutschen Kolonisten in Rußland ist der Assimilationsprozeß kaum bemerkbar. Obgleich ihre Väter und Großväter im neuen Land geboren sein mögen, so würden sie es doch als Beleidigung ansehen, Russen genannt zu werden. Sie verachten den russischen Bauern als arm, unwissend, faul und unredlich, fürchten die Beamten ihrer Tyrannei und Erpressungen wegen ... und gehen niemals eheliche Verbindungen mit denen ein, von welchen sie durch Nationalität und Religion geschieden sind."

Ausdruck der herablassenden Haltung vieler Kolonisten gegenüber den Russen war die von ihnen häufig gewählte Bezeichnung "Russel", mit der sie die russischen Bauern bezeichneten, die für sie "unreife Kinder" waren, die es immer noch nicht geschafft hätten, den "Schlendrian ihrer Urgroßväter" abzuwerfen, so dass es nicht verwunderlich sei, dass sie nur sehr wenig vorankommen würden. Das wenige, das sie gelernt hätten, das hätten sie, wie die "Odessaer Zeitung" im Juni 1888 bemerkt, "von den deutschen Kolonisten gelernt".
 
Startseite  |   Inhalt   |   zurück