Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

6 Kulturelles Leben bei den Russlanddeutschen

6.2 Sitten und Bräuche

6.2.2 Hochzeitsbräuche

6.2.2.2 Hochzeitsfeier

hochzeit
Nach erfolgreicher Brautwerbung konnte die Hochzeit vorbereitet werden. Der Termin wurde, speziell im Wolgagebiet, in das Frühjahr verlegt.

Die Einladung der Hochzeitsgäste erfolgte nach einem bestimmten Ritual.

Die eigentliche Hochzeit fand meist an einem Wochentag statt. Ledige Hochzeitsgäste lud das Brautpaar persönlich zu einer Feier an dem davor liegenden Sonntag ein.

Den anderen Gästen wurden die Einladungen ein oder zwei Tage vor dem Termin durch so genannte Hochzeitsbitter (auch Hochzeitsläder) überbracht. Als Hochzeitsbitter fungierten meist die jüngeren Paten des Brautpaares. Die Braut und ihre Eltern waren die ersten Personen, die eine Einladung erhielten. Die Einladung wurde in Spruchform vorgetragen. So genannte Brautburschen und -mädchen hatten die Aufgabe, Bänke, Stühle und Geschirr zu sammeln. Der Abschluss war häufig eine kleine Vorfeier, dem Polterabend entsprechend. Die Versammlung der Gäste am Hochzeitstag erfolgte getrennt. Die Hochzeitsgäste des Bräutigams erschienen in seinem, die der Braut in ihrem Haus.

Die Braut wurde von den Gästen des Bräutigams aus dem Elternhaus abgeholt. Es gehörte aber dazu, der Hochzeitsgesellschaft zunächst "falsche Bräute" vorzuführen (alte, dicke...), die "entrüstet" abgelehnt wurden. Die wirkliche Braut (bereits im Brautkleid – meist dunkelblau oder hellblau, manchmal auch schwarz, mit einem dazugehörigen Brautkranz (auch Ufsatz, Rosenkranz oder Schnatz genannt) mit künstlichen Blumen besetzt und einem bis zum Boden reichenden weißen Schleier) wurde an einen Stuhl mit Bändchen angebunden und musste von den Anwesenden gesucht und mittels Opfergaben befreit werden. Zum Abschluss wurde die Braut durch den so genannten Aussegner (meist der Schulmeister) ausgesegnet. Danach begab man sich zum Hochzeitshaus in folgender Reihenfolge:
hochzeitskutsche
Im Hochzeitshaus wurden alle bewirtet. Danach gings zur Kirche. Wegbegleitung waren das Geläut der Kirchenglocken und die Musik der Musikanten. In der Kirche erfolgte die Trauung nach dem bekannten Ritual.

Der Bräutigam ging auf dem Heimweg dem Hochzeitszug voran: Symbol für seine führende Rolle in der Ehe. Zu Hause angekommen, ließen sich alle zum Hochzeitsmahl nieder. Es begann mit dem Tischgebet des so genannten Hochzeitsordners. Den Bräuchen gemäß verlief die Mahlzeit in Abwesenheit des Bräutigams, und die Braut verweigerte deshalb die ihr angebotenen Speisen. Erst nach Aufhebung der Tafel entführte der Bräutigam den Brautführern seine Braut und nahm mit ihr in einem separaten Raum das erste gemeinsame Essen ein.

hochzeitstafel
Währenddessen wurde der Festraum zum Tanzen umgestaltet. Das Brautpaar erschien zum so genannten Brautreigen, begleitet von den Hochzeitsbittern, und nahm erst einmal die Geschenke entgegen. Dann wurde der Tanz eröffnet, in dem das Brautpaar zunächst allein tanzte. Danach forderte das Paar der Reihe nach die Taufpaten auf und im Anschluss daran die Brautführer, Brautburschen bzw. Brautmädchen.

Nach dieser "Brautreihe" tanzte die Jugend bis zum Abendbrot. Danach wurde bis zum "Abtanzen" des Brautkranzes kurz vor Mitternacht durchgetanzt (u. a. Polka). Anschließend begab sich die Braut zum Haus der Hauptgöt (Patin), um dort das Brautkissen abzuholen und danach der Gesellschaft vorzuführen, als zarten Hinweis auf das Festende. Der Bräutigam führte seine Braut ins Himmelbett. Oftmals hatten die Burschen einigen Schabernack vorbereitet.

Der eigentliche Hochzeitstag gehörte der Jugend, die Alten waren mehr im Hintergrund. Sie saßen in einem Nebenzimmer und sangen Volkslieder, erzählten Anekdoten oder politisierten. Beliebt waren auch Spazierfahrten vor dem Abendessen.

Der Tag danach gehörte jedoch ihnen. Er hatte Karnevalscharakter und man vertrieb sich die Zeit mit Tanz, Gesang und Punsch-Wett-Trinken.
 
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