Im Ergebnis der aus der Industrialisierung resultierenden sozialen Spannungen kam es in Russland zu revolutionären Unruhen (Streiks, Aufstände), die Zar Nikolaus II. zwangen, am 17. Oktober 1905 in einem Manifest allen Bewohnern des Russischen Reiches ohne Unterschied der Konfession und Nationalität die Gewissens-, Rede- und Versammlungsfreiheit zuzuerkennen. Außerdem wurden allgemeine Wahlen für eine Reichs-Duma angekündigt.
Anlässlich dieser Wahlen bildete sich ein der gesellschaftlichen Struktur entsprechendes System politischer Parteien heraus, das bis 1917 Bestand hatte.
Die Selbstherrschaft und die ökonomischen sowie politischen Privilegien des Adels blieben aber weitgehend unangetastet, eine der Ursachen für die Niederlage der Revolution und das Fortbestehen tiefgreifender Widersprüche.
Die deutschen Kolonisten wurden von den revolutionären Ereignissen überrascht. Politische Organisationen gab es nicht, weder an der Wolga, noch in Südrussland. Und über die Teilnahme an revolutionären Aktionen sind nur relativ dürftige Nachrichten überliefert. So wurden während der Revolutionsjahre an der Unteren und Mittleren Wolga über 700 Adelsgüter - darunter auch Besitztümer von Pjotr A. Stolypin - zerstört.
Die politische Differenzierung, die nach der Revolution auch unter den Russlanddeutschen einsetzte, spiegelte die ökonomische Differenzierung unter ihnen wider. Während die vermögenden Kolonisten aus Südrussland der konservativen, monarchistischen Partei der
Oktobristen zuneigten, sympathisierten die Wolgadeutschen mit der linksliberal orientierten
Kadetten-Partei .