Geschichte der Russlanddeutschen

8 Kulturarchiv

8.2.1 Quellen

8.2.1.12 Ausbruch der Pest

Im Oktober 1812 beklagt der Oberschulze, dass es trotz seiner wiederholten Mahnungen zum Ausbruch der Pest gekommen sei. Um eine weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern befahl er in einem Rundschreiben an die Schulzen des Kutschurganer Gebietes eine Reihe von Abwehrmaßnahmen.

   "Ich habe es oft befohlen und sogar gebeten, ja doch immer vorsichtig zu sein, genau Wache zu halten und und meinen Rat zu befolgen, denn ich habe es allezeit mit den Deutschen aufrichtig gemeint und meine es noch, aber leider haben viele meine aufrichtige Gesinnung nicht als wahren Grund angenommen, bis wir jetzt, leider, dieses Übel, nämlich die Pest wirklich auch schon unweit Baden, in dem russischen Wirtshause haben, wo alles schon bis auf eine Seele ausgestorben ist und diese wahrscheinlich noch sterben wird. Jetzt freilich sehen die Leute, daß ich immer zu ihrem Besten geraten und ich mir nicht umsonst Mühe gegeben habe, das Übel , die Pest von uns abzuhalten. Traurig ist es, daß man die Wahrheit nicht glaubt bis es zu spät ist. Jetzt befehle ich und hoffe, daß jeder vernünftig genug sein wird, nicht allein für sich, sondern fürs allgemeine Wohl zu sorgen, widrigenfalls ich außergewöhnliche Strenge gebrauchen werde:

Die Wache muss verdoppelt werden, daß niemand ins Dorf hereinkomme, ohne einen Schein vom Kollegienrat und Ritter Rosenkampf oder von mir. Wird das nicht befolgt, so sind die Wächter hart körperlich zu bestrafen.

Darf sich keiner aus dem Dorf entfernen ohne Schein, hat jemand einen solchen gehabt, so muss er ihn dem Amte wieder zurückgeben.

Sollten sich Fremde in den Kolonien eingeschlichen haben, so sind sie wegzuprügeln. Wird nachgewiesen, daß jemand Fremde bei sich hatte, so haben diese 24 Tage Quarantäne abzusitzen und schenkt ihnen der liebe Gott das Leben, denn Gott bewahre uns vor der Pest, dann werde ich sie noch fürchterlich bestrafen lassen.

Wenn Papiere von irgendwoher gebracht werden, wie Zuschriften oder Befehle, so sollen sie nicht in die Hände genommen, sondern mit der Beißzange angefaßt, dann beräuchert und in Essig gelegt werden.

Sobald etwas ausbricht oder Zweifelhaftes vorkommen sollte, so muss mir allfolglich berichtet werden, damit ich gehörige Anstalten treffe.

Jeder muss für Wächter Brennzeug und Stroh liefern, damit sie in der Kälte und in der Nacht sehen können.

Mit diesem schließe ich und hoffe, daß ich nicht weiter schreiben brauche, denn durch Vorsicht kann das große Übel abgehalten werden"

Aus: Johannes Brendel, Aus deutschen Kolonien im Kutschurganer Gebiet. Geschichtliches und Volkskundliches (Schriften des Deutschen Ausland-Instituts Stuttgart, Kulturhistorische Reihe, Band 26), Stuttgart 1930, S. 23-24.

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