8 Kulturarchiv
8.2.1 Quellen
8.2.1.9 AUSZUG AUS DER "INSTRUKTION ZUR INNEREN EINRICHTUNG; VERWALTUNG DER NEURUSSISCHEN AUSLÄNDISCHEN KOLONIEN."
I. Abschnitt
Von den Religionspflichten der Kolonisten
§ 1
Eine der wichtigsten Pflichten aller Kolonisten ist diese: daß ein jeder die Gebote und Lehren seines Glaubens ernstlich zu Herzen nehme, und dieselben als Richtschnur seines Lebenswandels treu befolge. Demnach soll ein jeder pflichtmäßig alle Sonn- und Feiertage dem Gottesdienste beiwohnen, die im Hause Gottes vorgetragenen Glaubenslehren mit Andacht anhören, und wenn er dessen würdig ist, das hl. Abendwohl empfangen. Wenn jemand ohne erhebliche Ursachen, vielmehr aus Faulheit oder Nachlässigkeit, vom Gottesdienst ausbliebe; so soll er das erste- und zweitemal nachdrücklich ermahnet werden, nachher aber für sein jedesmaliges Ausbleiben vom Gottesdienst 10 Kop. Strafgeld erlegen. Und sofern jemand solche Strafgelder dreimal im Jahre würde erlegt haben, ohne sich zu bessern, soll er die erwähnte Geldstrafe doppelt tragen, und einen ganzen Tag Gemeindearbeit verrichten. Solche einkommende Strafgelder fließen in die allgemeine Kasse.
§ 2
Die zur Lutherischen und Römisch-Katholischen Religion sich bekennenden Kolonisten sind schuldig nach Verlauf ihrer Freijahre, wenn ihre Pastoren (Geistliche) nicht mehr von der Krone besoldet werden, diese ihre Geistlichen und Schulmeister auf Kosten der ganzen Gemeinde zu unterhalten. Die ihnen festgesetzte Besoldung ist von der Anzahl Mannsleuten von 16 bis 60 Jahre, die zu jedem Kirchsprengel gehören, jährlich in drei Terminen, nämlich den ersten Januar, den ersten Mai und den ersten September zusammen zu tragen. Zu diesem Ende müssen alle Jahre aus jeder Gemeinde Kirchenälteste gewählt werden, deren Pflicht es ist, die ihrem Geistlichen zukommende Besoldung, wie oben erwähnt, von der Gemeinde zu erheben, und das Geld jedes Terzial, gegen Quittung an den Gebietsvorsteher abzuliefern, der schuldig ist dem Kirchenältesten zur Eintreibung desselben allen erforderlichen Beistand zu leisten, um es ohne den geringsten Rückstand zusammen zu bringen. derjenige Kolonist, welcher zum bestimmten Termin den ihm auferlegten Beitrag an Geld nicht einbringt, ist des erstemal mit einer Geldstrafe von 10 Kop., das zweitemal von 15 Kop. zu belegen, das drittemal aber wird er in Verhaft genommen und gezwungen so lange, bis er bezahlt, Gemeindearbeit zu verrichten. Auch hat der Gebietsvorsteher von einem solchen Kolonisten, der nicht gehörig bezahlt, nebst Anzeige der Ursachen und Beschreibung seines Zustandes, dem Komptoir Bericht abzustatten.
§ 5 (3)
Der Ev. Lutherische Pastor ist verbunden, wenn er seine Amtspflichten in der Schwedischen und Elisabethgradschen Kolonie verrichtet, sorgfältig nachzusehen und daraus zu halten, daß die Schulmeister ihre Pflicht mit gehörigem Eifer und Fleiß zu erfüllen sich bestreben, worüber die Geistlichen eine besondere und vollständige Instruktion zur Richtschnur und Befolgung für die Schulmeister zu verfertigen haben. In der Josephsthälischen Kolonie, wo sein beständiger Aufenthalt ist, hat der Pastor die immerwährende Aufsicht über den Schulmeister. Der Katholische Pater (Es war der von Jamburg) und die Geistlichen Lehrer der Mennonisten sind schuldig die nämlichen Pflichten zu erfüllen.
II. Abschnitt
Von Errichtung der Gebietsämter und der Wahl der Gebietsvorsteher und Dorfältesten
§ 8
In den Kolonien sollen besondere Gebietsämter errichtet werden. und jedes derselben soll unter einem erwählten Gebietsvorsteher stehen: seine Amtsgehilfen sind zwei Beisitzer und ein Schreiber. Fürs Gebietsamt ist in dem Dorfe, wo der Gebietsvorsteher wohnt, jährlich wechselweise seine Stube eines Wirtes des Dorfes einzuräumen, oder es muß auf einem bestimmten Platz nach geschehener Übereinkunft für zusammen geschossenes Geld, von allen zu dem Amte gehörigen Dorfschaften ein Haus dazu erbaut werden, allwo in einem verschlossenen Kasten, der mit den Petschaften des Gebietsvorstehers und seiner Beisitzer besiegelt ist, die Einnahme- und Ausgabebücher, die dem Gebiete zur Bestreitung aller Gemeindeausgaben eingesammelten Gelder, wie auch alle Amtsschriften und vom Komptoir ergangenen Befehle aufzubewahren sind. Überdies wird in jedem Dorfe des Gebiets ein Schulz, zwei Beisitzer und von jeden 10 Häusern ein Dessätnik angestellt.
§ 9
Der Gebietsvorsteher, die Dorfschulzen, Beisitzer und übrigen Dorfbeamten werden in jedem Gebiet und Dorf aus der Zahl derjenigen Wirte durch die Mehrzahl der Stimmen gewählt, die schon männliches Alter, ihre eigene Wirtschaft und vernünftige Einsichten haben, die einen unbescholtenen Lebenswandel führen, die rechtschaffen denken und handeln, gute Hauswirte sind, und besonders im Ackerbau, Gartenbau und der Viehzucht sich so auszeichnen, daß sie andern zum Muster dienen können. Jeder wahlfähige Wirt gibt unparteiisch, ohne auf Freund- oder Feindschaft zu sehen nach der Reihe demjenigen seine Stimme, den er zu diesem oder jedem Amt für gut und fähig hält. Die Wahl desjenigen, auf den die meisten Stimmen gefallen sind, wird die Namensunterschrift der Wählenden bescheinigt und sodann dem Komptoir zur Bestätigung vorgestellt.
§ 16
Der Gebietsvorsteher hat im Gebietsamt und, der Schulz in jedem Dorfe der versammelten Gemeinde vorzutragen:
Alle gesetzliche Verordnungen, die zur Kenntnis der Landleute gelangen müssen, lautbar bekannt zu machen und sowohl dieselben als auch diese vom Komptoir gegebene Instruktion ihren, nach geendigtem Gottesdienste bei der Kirche, oder dem Bethaus oder wo sie sonst zusammen berufen werden, vorzulesen und verständlich zu machen.
Ihnen zu erklären und sie zu belehren, wie es jedermannes Pflicht ist, sittlich und friedsam mit andern Menschen zu leben, und was sonst zu Nutzen des Landmannes zu wissen nötig ist; damit die Jugend ihre Eltern und alte Leute gehörig hochachte, und ihnen gehorche, und diese hingegen die jungen Leute durch ihr Beispiel zur Arbeitsamkeit, Rechtschaffenheit- Enthaltsamkeit und zum friedsamen Leben mit ihren Hausgenossen, Nachbar und jedem Menschen aufmuntern und anhalten.
Ihnen die kirchliche Ordnung faßlich zu machen und sie anzuhalten, daß ein jeder pflichtmäßig die Sonntage, Feier- und Festtage dem Dienste Gottes heilige, wie auch daß jedermann mach seinen Glaubenslehren und Geboten beichte, und sich des Genusses des heiligen Abendmahls würdig mache. Und die Gemeinde unablässig anzuhalten, daß jedermann alle nur mögliche Sorgfalt und Vorsicht zur Abwendung ansteckender Krankheiten, der Viehseuche und Feuerschaden anwende, auch darauf zu sehen, dass ein jeder gesetzliches Maß und Gewicht halte, und nirgends und unter keinem Vorwand verbotener, Nachteil verursachender Brandweinschank statt haben könne.
§ 23
Die Gebiets- und Schulzenämter haben pflichtmäßig und sorgfältig darauf zu sehen, daß die Kolonisten sich nicht dem Müßiggange, Trunkenheit und der Verschwendung ergeben oder Freveltaten begehen; sondern sich nüchtern und mäßig verhalten, und einen ehrbaren Lebenswandel führen, auch den Arbeiten ihres Berufs, als dem Acker- und Gartenbau, der Viehzucht und allen anderen zum Landbau gehörigen Kulturen fleißig obliegen. Und damit die Kolonisten, die durch Fleiß und Arbeitsamkeit und einen ehrbaren Lebenswandel ihr eigenes und das allgemeine Beste befördern, ausgezeichnet werden können; so sollen die Schulzenämter unter der besonderen Absicht des Gebietsvorstehers sowohl von den guten Wirten, die sich durch ihren Fleiß in der Landwirtschaft hervortun, als auch von denen, die faul und nachlässig sind, besondere Register anfertigen, die jährlich von ihnen den Gebiets- und Schulzenämter unterschreiben, dem Comptoir zuzustellen sind, damit man auf die Arbeitsamen und Rechtschaffenen das ihnen gebührende Vertrauen setzen, den schlechten und faulen Wirten aber solches entziehen, und sie durch Geldstrafen oder Einsetzung auf Wasser und Brot zur Besserung bringen könne. Auch müssen die letzteren durch Zwangsmittel zum Ackern und Besäen ihres Landstückes und allen andern Haus- und Landarbeiten mittelst anbefohlener Aufgaben, die sie täglich zu verrichten schuldig sind, gezwungen werden. Um dieses gehörig zu bewerkstelligen, werden sie unter die Aufsicht der Dessätniks gegeben. Wofern aber nach solchen wiederholten Antreibungen und Strafen jemand von der Nachlässigkeit und Faulheit nicht abstünde, so ist von solchen, nebst Beschreibung ihrer Schuld, an das Komptoir Bericht abzustatten.
§ 30
Die Gebietsvorsteher und Schulzen sind verpflichtet darauf zu sehen, daß arme und gebrechliche Kolonisten unter keinem Vorwand sich herum treiben, oder betteln gehen. Die Gefundenen unter solchen Verarmten sind anzuhalten, daß sie durch Arbeit sich ihren Lebensunterhalt verdienen. Wenn sie aber weder Anverwandte, noch Kräfte zur Arbeit haben, so muß die Gemeinde ein Armenhaus nahe bei der Kirche von zwei Stuben, eine für Manns- und die andere für Weibspersonen erbauen lassen, darin ihre Armen mit Nahrung, Feurung und notdürftiger Kleidung unterhalten. Zum Unterhalt desselben soll, nahe dabei unter dem Schlüssel und Siegel des Kirchenältesten, ein Armenkasten errichtet werden, und in der Kirche ein Klingbeutel, worin an Sonn- und Festtagen Beiträge für das Armenhaus zusammeln sind, welches gesammelte Geld im Klingbeutel und Armenkasten alle Monate zur Verpflegung der Armen angewendet wird, Wenn solches nicht hinreicht, muß die Kolonie Zuschuß tun. Um die Krankenhäuser in der besten Ordnung zu halten, sollen die Geistlichen, der Kirchen die Oberaufsicht darüber haben.
§ 48
Sobald unter den Kolonisten Haß, Feindschaft oder Händel entstehen, oder wenn einer dem anderen falsche Beschuldigung aufbürdet, so soll der Schutz das erst mal sie durch nachdrückliche Ermahnungen auszusöhnen suchen, das zweitemal aber ihnen zur Gemeindearbeiten auflegen, im Falle aber zanksüchtige Kolonisten oft solche Vergehungen begehen sollten, so wird jedes Mal dem Anfänger der Händel auferlegt zur Strafe, 25 Kopeken in die allgemeine Kasse zu zahlen.
§ 49
Die Schulzen sind schuldig mit aller Macht es dahin zu bringen, daß die Üppigkeit und Verschwendung unter den Kolonisten ausgerottet werde. Zu diesem Ende sollen sie diejenigen, die solchen Lastern ergeben sind, die schwersten Gemeindearbeiten auferlegen, und ihnen vorschreiben, wie viel Arbeit sie jeden Tag verrichten müssen, damit ihnen zu Fortführung eines so schädlichen und verderblichen Lebens keine Zeit übrig bleibe. Diese Strafe muß ihnen so lange wiederholt werden, bis sie sich bessern. Woferne sie sich aber hierdurch nicht bessern sollten, sind sie nebst Bericht an das Komptoir zu schicken.
A n m e r k u n g: En üppiges Leben heißt, wenn man in seinem Hause einen übermäßigen Aufwand macht, oft Gastereien anstellt, wodurch das Vermögen durchgebracht wird. Verschwendung heißt Kartenspiele ums Geld und Sachen, der Verkauf des Viehes und anderer Habseligkeiten, ohne daß die Not es fordert, nur um das dafür erlöste Geld zur Trunkenheit oder zur Sättigung anderer Begierden anzuwenden.
§ 50
Die Schulzen haben streng darauf zu sehen, dass ein jeder Wirt sein Wohnhaus, Scheune, Stallungen und Umzäumungen in bester Ordnung, Reinlichkeit und Reparatur erhalte. Wofern jemand hier widerhandeln, und allen wiederholten Befehlen ungeachtet seine Wirtschaftsgebäude schadhaft, oder baufällig werden ließe, der soll 20 Kopeken Strafe erlegen, und überdies gezwungen werden, alles schadhaft befundene schleunig auszubessern, welche Ausbesserung unter der Aufsicht eines Dessätniks zu bewerkstelligen ist.
§ 51
Die Schulzen sind verpflichtet in jedem Dorfe strenge darauf zu halten, daß auf die Gassen keine Unreinlichkeit geworfen, sondern sie immer gehörig gereinigt werden. Zum Schutz vor Sturm und Feuersbrunst müssen die Wohnhäuser, Scheunen und Hofplätze mit allerlei schnell wachsenden Bäumen, die das hiesige Klima ertragen und Insonderheit mit Maulbeerbäumen besetzt werden, welch letztere dort überall gut fortkommen, und von denen die Kolonisten in Hinsicht des damit bewerkstelligenden Seidenbaues einen ansehnlichen Nutzen ziehen können.
§ 53
Die Gebietsvorsteher sind verpflichtet alle Kolonisten anzuhalten, daß sie gegen ihre Dorf- und Grenznachbarn freundschaftlich und gefällig, sowie gegen Durchreisende höflich und gastfrei sich betragen, und mit den ersteren alle Grenzstreitigkeiten, mit den letzteren alle unanständigen Begegnungen zu verhüten suchen.
§ 68
Die Gebietsvorsteher und Dorfschulzen sind verpflichtet, sich möglichst zu bestreben, daß alle Arten nützlicher Handwerke und Fabriken in den Kolonien vermehrt werden, wozu jeder nicht nur angehalten, sondern wenn er das Handwerk versteht, und solches aus Faulheit nicht treiben will, auch dazu gezwungen werden. Und weil die Hauptzweige der hiesigen Landwirtschaft in der Viehzucht und besonders in der Schafzucht bestehen, so soll man sich vorzüglich auf die Bearbeitung der Wolle legen, welche das vornehmste Produkt der hiesigen Gegend ausmacht, wie auch Gerbereien, Seifsiedereien und Lichtgießereien anlegen.
§ 69
Der Gebietsvorsteher und die Dorfschulzen sind verpflichtet, über die Eigenschaften des Bodens und das Klima genaue Beobachtungen anzustellen, und denselben gemäß Mittel ausfindig zu machen, und dem Komptoir vorzustellen, durch welche der Wohlfahrtszustand der Kolonien befördert werden könne, zunächst den Kolonisten den daraus für sie entspringenden Nutzen deutlich, und faßlich zu machen.
§ 70
Den Gebietsvorsteher und Dorfschulzen wird auf das strengste vorgeschrieben, alle Mühe und Sorgfalt anzuwenden, daß in jeder Kolonie Gehölze gesäet werden, und besonders solche, die nach der Eigenschaft des Bodens einer jeden Kolonie daselbst am besten wachsen, und fortkommen können. Auf die Anpflanzung schnell wachsender Holzarten, als da sind: Erle, Weide, Espe hat man vorzüglich zu halten. Von diesen und anderen nützlichen in gehörig gepflügtes und zubereitetes Land gesäet werden. Hauptsächlich aber hat man an die Anpflanzung von Maulbeerbäumen ... allen nur möglichen Fleiß zu wenden.
§ 72
Der Gebietsvorsteher (Oberschulz) hat darauf zu sehen und es dahin zu bringen, daß das Ackerland in allen Kolonien in drei Felder eingeteilt wird; wie auch daß man Besuche anstelle, ob die Einteilung in sechs oder sieben Felder anwendbar und nützlich werden könne. Die Dorfschulzen aber sind verpflichtet, die Kolonisten anzuhalten, daß während dem Winter ein jeder seinen Pflug, Egge, Wagen und anderes Ackergeräte bestens repariere, und daß das Zugvieh gegen die Arbeitszeit sich in gutem Stande befinde. Wofern aber jemand, nicht aus Vernachlässigung, sondern wegen erlittener Unglücksfälle dieses nicht bewerkstelligen könne, so muß die ganze Gemeinde einem solchen Verunglückten aus allen Kräften beistehen, und möglichste Hülfe leisten.
§ 73
Sobald als nur die Zeit zum ackern eintritt, hat der Schulz allen Wirten anzubefehlen, daß sie sich alle zu gleicher Zeit in der frühesten Stunde auf das Feld begeben und ein jeder noch vor oder wenigstens mit Tagesanbruch zu Arbeit schreite, und solche fleißig und unverdrossen fortsetze. Von den Dessätniks fordert der Schulz, daß durch ihre Aufsicht und Antreiben das Vorgeschriebene von einem jeden genau erfüllt werde. Zur Frühjahr- und Herbstzeit aber sind die Schulzen und Beisitzer eines jeden Dorfes wechselweise verbunden, die Ackerfelder jedes Wirtes zu besichtigen, und wahrzunehmen, ob sie so bearbeitet sind, als es die Eigenschaft des Bodens erfordert, nämlich ob nach der Beschaffenheit der Sache tief genug geackert, und die Erde locker genug gemacht worden.
Wenn er bemerkt, daß ein Ackerfeld nicht gehörigermaßen zubereitet ist, so zwingt er den Wirth desselben, es sogleich noch einmal umzuarbeiten. Desgleichen sind die Wirthe insgesamt anzuhalten und zu zwingen, daß sie jede Art Sommer- und Wintersaat zur gehörigen Zeit bestellen. Das Einernten der Feldfrüchte ist nach Beobachtung der Reife anzufangen.
Das Dreschen muß bei gutem Wetter geschehen, und zur Aufbewahrung des Getreides muß jeder einen trockenen Kornboden, oder eine dazu erbaute Masanka (Lehmhaus) haben.
§ 78
Es muß strenge darauf gesehen werden, daß niemand die Winterszeit im Müßiggang zubringe, sondern ein jeder sich angelegen sein lasse, sein Vieh bestens zu pflegen, seine Pferde reinlich zu halten, sein Haus gehörig zu reparieren, die Umzäumung seines Hofes und Garten zu verbessern, sein ganzes Haus- und Wirtschaftswesen in gehörigen Stand zu setzen, sich mit hinlänglichem Samen zur Sommersaat und Gartengemüsen zu versehen und solche in Bereitschaft zu halten.
Diejenigen die feine Leinwand und Tischzeug zu weben, oder andere nützliche Handwerke zu treiben verstehen, müssen angehalten werden, sich damit zu beschäftigen, sowie die Weibsleute zur Wolle- und Flachsspinnerei, zur Faselzucht, zum Buttermachen und dergleichen mehr anzuhalten.
Mit einem Worte hat die Dorfobrigkeit schärfsten darauf zu sehen, daß die Winterzeit ununterbrochen zur Arbeitsamkeit angewendet werde. (Also keine Maistuben machen, wie es heute geschieht).
§14
Aus dem Anhang zur Instruktion
Die Erfahrung lehrt, daß diejenigen Wirte, die neben dem Ackerbau noch ein Handwerk treiben, am zuverlässigsten ihren Nahrungszustand zu verbessern im Stande sind, und auch alsdann wenn, (was Gott verhüte!) Mißwuchs, Viehseuche oder andere mögliche Unglücksfälle Brotmangel verursachen, ihr Brot zu verdienen nicht verfehlen. Hingegen diejenigen, die sowohl den Winter, als auch einen Teil der übrigen Jahreszeiten in dem so verderblichen Müßiggang zubringen, in schweren Zeiten darben müssen. Weil nun die Leinweberei ein höchst nützliches Gewerbe für den Landmann ist, indem während der Zeit, da keine Arbeiten des Ackerbaues mehr zu verrichten sind, die Mannsleute mit dem Weben, die Weibsleute aber, auch so gar Kinder von 10 bis 12 Jahren, sich schon mit dem Spinnen Verdienst erwerben können, so wird allen Kolonien nachdrücklich anbefohlen, dieses Handwerk als eine immerwährende Erwerbsquelle da wo es schon getrieben wird, immer mehr in Gang zu bringen, in den Dörfern aber, wo es noch nicht getrieben wird, es unausbleiblich einzuführen. Und damit dieser Zweck unfehlbar erreicht werde, ist jedes Kolonie-Gebietsamt, wo aber keines ist, jedes Schulzenamt verpflichtet, die Wirte, die erwachsene Knaben haben, anzuhalten, daß sie ihre Söhne zu guten Leinwebern in die Lehre geben, und sie so lange bei ihnen lernen lassen, bis sie das Handwerk aus dem Grund erlernt haben.
Und wofern ein ausgelernter Weber sich zur Betreibung seines Handwerks aus eigenen Mitteln keinen Weberstuhl anschaffen könnte, so soll einem solchen Anfänger der nötige Vorschub aus der allgemeinen Kasse geliehen werden, mit dem Beding, daß er zu fest gesetzten Terminen seine Schuld richtig wieder abtrage. Auch ist das Gebietsamt, und wo keines ist, das Schulzenamt verpflichtet, alle Jahre des Herbstes dafür zu sorgen, daß aus den Gegenden, die den allerbesten Flachs liefern, ein hinlänglicher Vorrat angekauft, und jeder Wirt mit einer solchen Portion versehen werde, als er zur Beschäftigung der arbeitsamen Hände seines Hauses bedarf. Die zum Ankaufe des besten Flachses erforderliche Summe haben die Wirte zusammen zu schließen, oder im Notfalle kann man sie aus der allgemeinen Kasse mit dem Bedinge nehmen, daß sei unverzüglich an dieselbe wieder zurück gezahlt werde."
Aus: Konrad Keller, Die deutschen Kolonien in Südrussland, Neuauflage hrsg.v. Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland, Nürnberg, München 2000,
S. 74-82.
Konrad Keller fügte an diese von ihm widergegebenen Auszüge an: "Nicht wahr, lieber Leser, das war eine andere Zeit, als unsere Kolonisten noch nach diesen Regeln ihr Leben einrichteten? Ja, das war eine andere, aber auch eine viel bessere und glücklichere Zeit, als die jetzige, wo gerade in der Winterzeit durch den Müßiggang alle Laster bei groß und klein, jung und alt gepflegt werden. Nicht umsonst sagt das Sprichwort: »der Müßiggang ist aller Laster Anfang."
Die Instruktionen für die südrussischen Kolonien wurden am 26.7.1800 von Zar Paul I. erlassen. Sie behielten bis 1801 für diese ihre Gültigkeit und wurden dann durch die "Gleichmäßige Instruktion der inneren Ordnung und Verwaltung" ersetzt.