8 Kulturarchiv
8.2.1 Quellen
8.2.1.10 GNADENBRIEF
In dem den Mennoniten 1800 von Zar Paul I. erteilten Gnadenbrief heißt es:
"Wir, durch Gottes Gnade Paul der Erste, Kaiser und Selbstherrscher aller Reußen u.s.w., u.s.w. Zur Urkunde unserer Allergändigsten Genehmigung der an Uns gelangten Bitte von den im Neurussischen Gouvernement angesessen Mennonisten, die nach dem Zeugnisse ihrer Aufseher wegen ihrer ausgezeichneten Arbeitsamkeit und ihres geziemenden Lebenswandels den übrigen dort angesiedelten Kolonisten zum Muster dienen können und dadurch Unsere besondere Aufmerksamkeit verdienen, haben wir durch diesen ihnen von Uns geschenkten Gnadenbrief nicht nur alle in den vorläufig mit ihnen geschlossenen Bedingungen enthaltenen Rechte und Vorzüge Allerhöchst bekräftigen, sondern auch, um ihren Fleiß und ihre Sorgfalt zur Landwirtschaft noch mehr aufzumuntern, ihnen noch andere, in den nachstehenden Punkten erteilten Vorrechte in Gnaden bewilligen wollen."
Mit dem Gnadenbrief wurden den Mennoniten eine Reihe von Privilegien zugestanden. Im Einzelnen waren dies:
"Erstens. bekräftigen Wir die ihnen und ihren Nachkommen versprochene Religionsfreiheit, vermöge welcher sie ihre Glaubenslehren und kirchlichen Gebräuche ungehindert befolgen können. Auch bewilligen Wir allergnädigst, daß vom Gericht, wenn es der Fall erheischen sollte, ihr mündlich ausgesprochenes Ja oder Nein an Eidesstatt als gültig angenommen werde."
Zweitens. Die Landzuteilung. Jede Familie erhielt 65 Desjatinen.
Drittens. Das Recht auf Gewerbefreiheit.
Viertens. Das Braurecht. Den Mennoniten wurde das Recht zuerkannt Bier, Essig und Branntwein zu brauen und zu brennen.
Fünftens. Das Schankrecht. Kein Fremder darf auf dem Lande der Mennoniten Schenken anlegen, oder sonst Branntwein ohne ihre Erlaubnis verkaufen.
Sechstens. Die Befreiung vom Militärdienst. "Wir geben ihnen Unsere Allergnädigste Versicherung, daß niemand, sowohl von den anjetzt schon angesessenen Mennonisten, als auch denen in Zukunft zur Niederlassung in Unserm Reiche geneigten, noch ihre Kinder und Nachkommen zu keiner Zeit in Krieg- und Zivildienste ohne eigenen dazu geäußerten Wunsch zu treten gezwungen sind."
Siebentens. Die Befreiungen von dauernder militärischer Einquartierung, Vorspann und Kronsarbeiten. Sie haben aber die Pflicht, Brücken und Wege in Ordnung zu halten.
Achtens. Vermögen- und Besitzrechte, eigene Erbschafts- und Waisenversorgung.
Neuntens. Freijahre. Den Mennoniten werden 10 resp. 15 Freijahre von Kronsabgaben eingeräumt.
Zehntens. Befehl an alle Behörden, den Mennoniten ("Mennonisten") diese Privilegien nicht zu schmälern, sondern sie in allen Fällen zu schützen."
Gegeben in der Stadt Gatschino am sechsten September des Jahres nach Christo Geburt eintausend achthundert. Unserer Regierung im vierten, des Großmeistertums im zweiten.
Paul Graf von Rostopschin
Aus: Karl Stumpp Selbstverlag Dr. Karl Stumpp – Tübingen
Seite 21 - 22