Geschichte der Russlanddeutschen

8 Kulturarchiv

8.2.1 Quellen

8.2.1.21 ALTERS- UND WAISENVERSORGUNG(1843)

Statuten einer alten Küster-, Witwen- und Waisenkasse aus dem Jahre 1843 (Mitgeteilt von Pastor J. Erbes)

(Wir finden diese Statuten unter den Beilagen zu dem Protokoll der Wiesenseiter Kreissynode von 1848. Sie lauten also:) Statuten Für die Witwen- und Waisenkasse der Küster, Organisten und Schullehrer evangelischer Konfession in dem Moskowischen Konsistorial-Bezirk.

Kapitel I

Von der Kasse.

§ 1. Die beabsichtigte Stiftung einer Witwen- und Waisenkasse für Küster soll Witwen- und Waisen- Kasse für Küster, Schullehrer und Organisten Evangelischer Konfession des Moskowischen Evangelische Lutherischen Konsistorial-Bezirks genannt werden.

§ 2. Diese Kasse wird gebildet durch die Jährlichen Beiträge der Mitglieder, auch freiwillige Gaben und Geschenke von Wohltätern, durch Strafgelder für Versäumung des Termins, welcher zur Entrichtung der Beiträge bestimmt ist.

Kapitel II

Von den Mitgliedern.

§ 3. Dieser Küster-Witwen- und Waisenkasse können als ordentliche Mitglieder beitreten, welche im Dienste der Evangelischen Kirche im Moskowischen Konstorialbezirk das Amt eines Küsters bei der Kirche, oder eines Lehrers bei der Evangelischen Kirchenschule oder auch als Organist versehen, mögen sie auf den Kolonien oder in irgend einer Stadt angestellt sein. § 4. Der jährliche Beitrag eines Küsters, Lehrers und Organisten im Moskowischen Konsistorialbezirk drei Rubel Silber. Dieser Beitrag ist jährlich im voraus vom 1. Bis 10. Januar an den Verwalter der Kasse zu entrichten. Als ersten Beitrag aber vom Tage der Bestätigung an sechs Rubel Silber zur Gründung der Kasse zu erlegen. Versäumt jemand diesen Termin, so hat er seinen Beitrag noch fünfzig Kopeken Silber beizufügen. § 5. Wer nach Jahresfrist der Bestätigung dieser Witwen- und Waisen-Kasse beitreten will, kann als solcher nach nachstehendem Verzeichnis angenommen werden:

Einstand

Alter, Jahre Silber Rubel Alter, Jahre Silber Rubel Alter, Jahre Silber Rubel Alter, Jahre Silber Rubel
5 6 32 13 39 20 46 27
6 7 33 14 40 21 47 28
7 8 34 15 41 22 48 29
8 9 35 16 42 23 49 30
9 10 36 17 43 24 50 31
10 11 37 18 44 25    
11 12 38 19 45 26    

§ 6. Da der Beitritt zu dieser Kasse nur ein freiwilliger sein kann, so wird der ins Amt tretende Küster, Lehrer und Organist zum Beitritt aufgefordert.

§ 7. Der Eintritt eines Mitgliedes wird dadurch vollzogen, dass er der Verwaltung der Kasse die von demselben nach den Regeln berechnete Summe einzahlt darüber eine Quittung erhält.

§ 8. Mitglieder, die einmal der Kasse beigetreten sind, können nur mit Gänze dem Verlust ihrer entrichteten Beiträge und der Einstandsgelder wieder eintreten.

§ 9. Jedes Mitglied aber kann auf keine andere Weise als durch Vorenthaltung der Beiträge oder durch einen unsittlichen Lebenswandel, wodurch er sich eines öffentlichen Amtes unwürdig macht, ausgeschlossen werden.

§ 10. Heiratet ein verwitweter Interessent der Kasse, so zahlt er für seine Frau sechs Rubel Silber Eintrittsgeld, Von dieser Entrichtung wird er nur dann befreit, wenn er eine Witwe oder eine Waise heiratet, welche aus dieser Kasse eine Unterstützung bezogen hat.

§ 11. Mitglieder außerhalb des Saratowschen Gouvernements werden den Saratowschen Evangelischen Küster, oder Lehrer oder Organisten geneigt und willig machen, dass er ihr Bevollmächtigter bei dem Verwalter der Kasse werde, damit er ihnen alles, was die Kasse betrifft, besorgen kann.

§ 12. Alle Beschlüsse die von der Mehrheit der Mitglieder gefasst werden, haben für alle Mitglieder ihre Gültigkeit; bei entstehen von Streitigkeiten ist die Zustimmung von 2/3 der Mitglieder erforderlich.

Kapitel III

Von den Pensionen der Witwen und Waisen, welche dieselben jährlich beziehen sollen.

§ 13. Zu Pensionen an die Witwen und Waisen der Interessenten dieser Kasse sollen jährlich verwendet werden: drei Viertel von den Zinsen des Kapitals, drei Viertel der jährlichen Beiträge. Die Auszahlung geschieht tertialitär, und zwar die erste Anzahlung nach Verlauf von 5 Jahren. In den ersten 5 Jahren sollen Beiträge, Geschenke und Prozente zum Kapital geschlagen werden. Auch muss man in der Zukunft ein Jahr Mitglied der Kasse gewesen sein, bis die Witwe und Waise auf Pension Anspruch haben können.

§ 14. Die Witwen beziehen ihre Pension bis zu ihrer Wiederverheiratung, die Waisen bis zu Antritt des 22. Lebensjahres, wenn sie sich nicht vorher verheiraten oder in Dienste treten oder auf Kronskosten unterhalten werden. Privatdienste werden nicht gerechnet.

§ 15. Ganz elternlose Waisen erhalten auch die Hälfte der Pension, welche ihre Mutter bezogen haben würde. Gebrechliche Waisen, die sich nicht selbst ernähren können und die kein Vermögen haben, genießen ihre Pension lebenslänglich.

§ 16. Pension bekommt eine Witwe so viel als 4 Waisen und eine Waise den 4. Teil einer Witwenpension.

§ 17. Die Pension wird vom 1. – 10. Januar von dem Verwalter der Kasse jeder Witwe und Waise entweder selbst oder dem, welchen dieselben bevollmächtigt, ausgezahlt. Die Vollmacht muss von dem Ortsgeistlichen bescheinigt sein.

§ 18. Jede Witwe und Waise muss jährlich einen Schein über Leben und ledigen Stand, sowie dass dieselbe von keiner Kronanstalt unterstützt wird und in keinen Kirchendienst eingetreten ist beibringen.

Kapitel IV

Von der Verwaltung der Kasse.

§ 19. Die Verwaltung der Kasse wird einem Verwalter anvertraut. Die Interessenten sichern einen der Herren Geistlichen im Saratowschen Gouvernement dazu willig zu machen, dass er sich dieser Mühe unterzieht. Diesem gewählten Herrn Geistlichen werden zwei Mitglieder der Kasse als Gehilfen durch Stimmenmehrheit beigeordnet.

§ 20. Der Verwalter der Kasse führt die Bücher, Rechnungen, empfängt alle Gelder, als: Beiträge, Prozente, Geschenke usw., zahlt jährlich die festgesetzten Pensionen an die betreffenden Witwen und Waisen aus, erhält alle Dokumente, Obligationen usw. in seine Hände, er sorgt in allen Dingen für das beste der Kasse. Die Schreibereien besorgt nach seiner Anweisung der Küster, Lehrer oder Organist, welcher von den Interessenten dazu gewählt wird und welcher in dem Kirchspiel, wo der Verwalter als Pastor wohnt.

§ 21. Alle Barschaften sollen in Krons-Kreditanstalten niedergelegt werden.

§ 22. Die Gehilfen des Verwalters der Kasse sind verbunden, auf die Einladung des Verwalters sich bei demselben einzufinden. Sie unterschreiben mit ihm die Rechnungsbücher und haben zu jeder Zeit das Recht, Einsicht in die ganze Verwaltung der Kasse zu nehmen.

§ 23. Jährlich legt die Verwaltung den Interessenten der Kasse Rechnung ab. Diese Rechnungsablegung geschieht vom 1. bis 15. Januar, zu der sich alle Interessenten an den Wohnort des Verwalters einzufinden haben. Wer nicht selbst kommen kann, bevollmächtigt einen seiner Amtsbrüder, damit derselbe die Rechnung in seinem Namen durchsieht, und nachdem dieselbe richtig befunden wurde, durch Namensunterschrift bescheinigt.

§ 24. Nach dieser Revision berichtet die Verwaltung über den Bestand und Zustand der Kasse dem Hochwürdigen Moskowischen Evangelisch-Lutherischen Konsistorium, das die Interessenten bitten, Kuratel dieser Anstalt zu übernehmen.

§ 25. Die Gehilfen des Verwalters verwalten dieses Amt 3 Jahre. Nach Verlauf von 3 Jahren wird eine neue Wahl veranstaltet. Die abgetretenen Gehilfen können wieder gewählt werden, können aber die auf sie gefallene Wahl ablehnen und sind nur verbunden sie anzunehmen, wenn sie 3 Jahre von derselben befreit gewesen sind.

§ 26. Wenn der Verwalter der Kasse stirbt oder die Verwaltung der Kasse nicht mehr behalten will, so übernehmen die beiden Gehilfen mit dem Mitgliede, welches als Sekretär die Schreibereien versehen hat, alle der Kasse gehörigen Geldsummen Dokumente usw., welche in der Verwahrung des Sekretärs verbleiben.

Aus. Johannes Kufeld, Die Deutschen Kolonien an der Wolga, hrsg. v. Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland, Stuttgart, München, 2000, Seite 362 – 367

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