Geschichte der Russlanddeutschen

8 Kulturarchiv

8.2.1 Quellen

8.2.1.3 Heymannsche Dokumente (1765/66)

8.2.1.3.3 Vertrag zwischen dem Werber und Daniel Heymann

"Heute zu Ende gesetzten Dato ist folgende Konvention zwischen Endesbenannten getroffen und beschlossen worden:
  Nämlich, es verspricht Herr Baron Caneau de Beauregard, Chef und Directeur der von seiner Russ. Kaiserl. Majestät ihm allergnädigst anvertrauten Kolonie Katharinen-Lehn genannt, am Wolgastrom in Rußland, durch mich dem von ihm und dem zweiten bevollmächtigten Herrn Otto Friedrich von Monjou autorisierten Kommissarium Johann Friedrich Wilhelm v. Nolting, zu Schloß Feuerbach, in der Wetterau ohnweit Friedberg gelegen, den gegenwärtigen Inhaber dieser Konvention, namens Daniel Heymann, alt 37 Jahr, gebürtig von Manderbach im Dillenburgischen, seiner Frauen, zweien Söhnen und einer Tochter.

  1. Zu der Reise von Schloß Feuerbach in der Wetterau bis Lübeck, dem man täglich, um davon den Unterhalt zu haben 15 Kr., seiner Frau 10 Kr., den mannbaren Kindern jedem 10 Kr. und den unmündigen jeden 6 Kr., von dem Tag der Abreise zu rechnen, bis zu der Ankunft in Petersburg vorschießen und richtig abreichen zu lassen, welche der Empfänger oder seine Erben und Nachkommen nebst denen zu seinem Etablissementen etwa noch erforderlichen ferneren Vorschußgeldern oder Sachen nach Ablauf der ersten 10 Wohnungsjahre in Katharinen-Lehn, in denen 3 darauffolgenden Jahren mithin in drei Terminen, jeden zu ein Drittel gerechnet, jedoch ohne Interessen oder pro Cente, wieder zu bezahlen schuldig und verbunden ist. Diejenige Transportkosten, so von Petersburg bis an den Ort seiner Niederlassung erforderlich sind ausgenommen, als welche auf seiner kaiserlichen Majestät alleinige Rechnung geschehe, folglich nie wieder erstattet werden soll. Begebe sich

  2. daß der Empfänger oder die Seinen vor Ablauf der ersten 10 Jahre das russische Reich – wie ihnen freisteht – wieder zu verlassen gedächte, so erlege der oder dieselbe ebenfalls nicht mehr als der Reisevorschuß, der ihm oder ihnen bis Petersburg getan worden, folglich bleiben die Transportspesen von Petersburg bis Katherinen-Lehn an dem Ort seiner Wohnung ihm oder ihnen auch auf diesen Fall erlassen und geschenkt, und wird außer obig

§1 gemeldeten anderen ohne interessenstehenden Reis- und Vorschußgelder, nicht weiter von ihnen gefordert, als der fünfte Pfenning von dem während seines Aufenthaltes in Katharinen-Lehn erworbenen, keineswegs aber von ihm dahin gebrachten Vermögen als welches in jeder Zeit abzugfrei bleibt. Hält hingegen der Kolonist oder die seinigen über fünf Jahre sich in Katharinen-Lehn auf, so entrichtet er oder sie nur den zehnten Pfennig, ebenfalls nur von demdaselbst erorberten Vermögen.

  3. Jeder Kolonist findet, auf Verlangen, einen fernen baren Vorschuß zum Anbau seines Hauses, Scheuren, Ställen und drgl. item zu Anschaffung nötiger Gerätschaften, Instrumenten, Handwerkszeug, Wagen und andern Schif und Geschirr, Pferde oder anderen Zugviehes, Kühen, Schafen, Ziegen, Schweinen, Federvieh und dergl. zu seiner Einrichtung nötiger Dinge, wie auch die erste Winter- und Sommeraussaat, nach dem Maß der jetem zugeteilten Länderei. Mit Wiedererstattung derlei Vorschüsse wird es gehalten, wie oben § 1 und 2 vermeldet ist.

  4. Ist jeder Kolonist nebst den Seinen 30 Jahre von allen russischen Reichsabgaben und Frohndiensten, sie mögen schon jetzo oder in besagten 30 Jahren eingeführt sein, völlig befreit, mithin dergleichen ohnehin sehr leidliche Abgaben an die Kaiserl. Kassa erst nach Ablauf gedachter 30 Jahre zu leisten gehalten.

  5. Jedem Kolonisten vor sich und die Seinige für 300 Rubel Wert an Waren und Gütern und dergl. bei seinem Anzug, mit ins Land zu nehmen und zu verkaufen erlaubt, und solche Effekten so wie alle übrige ihre Habseligkeiten (Kaufmannswaren womit ein Handel getriben werden will über gedachte 300 Rubel laufend, ausgenommen) zollfrei sein.

  6. Die Kolonisten behalten nicht allein ihre Religions- und Gewissensfreiheit, sondern es werden denen selben, und zwar den katholischen, luthereischen und reformierten, Religionszugetanen jeder Partie solcher Glaubensgenossen eigene öffentliche Kirche mit Türmen, Glocken und Zubehör (aber keine Klöster) erbauet, und ihnen Pfarrer und Kirchendiener, soviel die Größe der Gemeinden erfordert zu bestellen überlassen. Ebenfalls soll

  7. an wohlbestellten öffentlichen Schulen von jeder Religion kein Mangel erscheinen wie dann auch

  8. an Medicis, Chirurges und anderen zuleiblichen Gesundheitspflege in wohlbestellten Staaten erforderlichen Personen es niemandem und nirgends ermangeln wird.

  9. Ein jedes Haupt oder Vater einer Familie erhält vor sich und die Seinen so viel Land an Ackern, Wiesen, Holzung und drgl. von der besten und fruchtbarsten Art, da zu der ganzen Familie Unterhalt und Gebrauch immer vonnöten, zu erblichem Eigentum, wie mit gegenwärtigen Vorzeiger dieser Convention am Ende derselben schriftlich ausgemacht ist.

  10. Wenn einer der jetzo neu angefangenden Kolonisten erwachsene Kinder mit in das Land bringen und diese sich verheiraten oder sonst eigenes anfangen sollten, so wird deren Etablissement und Einrichtung ebenso als wie bei gegenwärtigen geschiet gesorgt werden. Dargegen wird sich

  11. der Kolonist während seines Aufenthalts in Rußland als ein treuer Untertan Sein. Kais. Majestät aufführen, mithin deren Kais. Landes-Gesetzen und Ordnungen, auch denen in den Kolo- sofort in den ersten Jahren nach der Einwandenien errichteten Polizei – Verfügungen, in allen hier nicht ausbedungenen Stücken, behörig untergeben. Weniger nicht

  12. von seinen sämtlichen Landesprodukten dem jedesmaligen Chef der Kolonie den Zehenden zu allerhand nützlichen Einrichtungen in derselben, jedes Jahr getreulich abgeben und liefern, weniger nicht demselben sotane seine verkaufen wollende Früchte und Produkten zum Verkauf anbieten und um den Preis als er einem dritten dafür haben konnte, wenn solcher dem Chef anständig, gegen baare Zahlung überlassen.

   Zu Urkund, Legitimation dieses allen, ist gegenwärtig gedruckte Übereinkunft, nach Art eines förmlichen Kontrakts von beiden Teilen unterzeichnet und jedem Exemplar zugestellt worden.
So geschehen Schloß Feuerbach in der Wetterau den 26. Juli 1766.

  Gleichwie nun eingangs benannter Kolonist sich alle denen, in vorstehender Konvention, demselben vorgeschriebenen Bedingungen, vor sich, alle seine Erben und Nachkommen, als ein getreuer Untertan Ihro Russisch-Kaiserl. Majestät in pflichtschuldiger Untertänigkeit gern und freiwillig unterwirft und dagegen alle die ihm hierzu zu gute verordneten Vorteile zu gewärtigen hat; so sind demselben in der Russisch-Kaiserl.-Kolonie Katharinen-Lehn nach Anweisung des 9-ten § dieser Konvention achtzig sage 80 Morgen Erb und Eigentümlichen Gut kraft habender Vollmacht hierdurch zu gesichert und verschrieben worden, worüber derselbe nach seiner Ankunft in Lübeck von einem Hochverordneten Herrn Directeur dieser Kolonie die Konfirmation zu gewarten hat. Geschehen wie oben gemeldet."

Johann Friedrich Wilhelm von Nolting

Aus: Die Heymannschen Dokumente, in: Wolgadeutsche Monatshefte, Nr. 19/20, Dezember 1924, S. 93-97; Nr. 21/22, Dezember 1924, S. 117-123

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