Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil IV 1955 bis Heute

5 Neubeginn in Deutschland

5.8 Jugendliche

5.8.7 Freizeit

5.8.7.1 Freizeitgestaltung

freizeitgestaltung
In Ihrer Freizeit beschäftigen sich russlanddeutsche Jugendliche mit den verschiedensten Dingen: Russlanddeutsche Jugendliche äußern sich dazu wie folgt:

Irina Maslova:

  "Außerhalb der Schule bin ich meistens in unserer Clique. Wir sind etwa 25, die sich regelmäßig im Wohngebiet treffen. Fast alle sind Übersiedler. Wir setzen uns irgendwo hin, hören Musik, gehen ins Kino oder zur Disko. Meistens quatschen wir über das, was wir gerade in der Schule erlebt haben...
Wir unterhalten uns aber auch über "früher", als wir noch in Kasachstan, Russland oder anderswo in den GUS-Staaten zu Hause waren. Meistens sprechen wir Russisch, zuweilen auch gemischt Russisch und Deutsch... Obwohl wir alle ziemlich gut Deutsch können, reden wir lieber Russisch miteinander... wenn sie zu uns in die Clique kommen, dann haben wir nichts gegen sie.
Doch die "Einheimischen" bleiben in der Regel nicht lange. Abgesehen davon, dass sie kein Russisch verstehen, werden in diesem Rahmen bald ziemliche Unterschiede deutlich. Sie wissen nichts von unserem früheren Zuhause und interessieren sich auch nicht wirklich dafür. Sie kennen nicht die Probleme, mit denen wir hier unmittelbar nach der Übersiedlung zu tun haben, die Sprachprobleme und die Probleme unserer Eltern, hier Arbeit zu finden. Sie können sich nicht in unser Leben hineinversetzen.
Sie wissen nicht, wie wir uns fühlen, wenn uns Leute mit Vorbehalten entgegentreten. Und umgekehrt verstehen wir die "Einheimischen" nicht immer. Manches ist uns fremd, oder anders gesagt, noch fremd. Die Art des Umgangs miteinander, die Art Spaß zu machen oder Witze zu erzählen. Ich glaube, es ist von keiner Seite irgendwie eine böse Absicht, dass wir in der Freizeit noch oft getrennte Wege gehen. Es ist so."

Alexander Gidion:

  "Wie schon gesagt, wenn ich nicht beim Sport bin, verbringe ich meine Freizeit in unserer Kompanija. Wir sind so etwa 20 Jugendliche, alles Russlanddeutsche, die sich regelmäßig treffen. Wir quatschen miteinander, gehen ins Kino und zur Disko, ... Dort gibt es russische Diskjockeys und russische Pop-Musik. Wir wollen uns nicht von den einheimischen Jugendlichen absondern. Aber das ergibt sich ganz automatisch. Irgendwie ist der Zusammenhalt zwischen den Russlanddeutschen stärker. Bei den Einheimischen ist jeder mehr für sich. Sie sprechen nicht so freimütig über persönliche Dinge. Sie sind verschlossener und zurückhaltender. Und sie sind weniger hilfsbereit. Vielleicht nicht alle, aber doch die meisten. Außerdem können wir untereinander besser über unsere Probleme hier und darüber reden, wie es zu Hause in Sibirien und Russland war."

Vitalina Poljakova:

  "Außerhalb der Schule bin ich in meiner Freizeit meistens mit russlanddeutschen Freunden zusammen. Das ist keine bewusste Abgrenzung von den einheimischen; das ergibt sich ganz von selbst. Neulich fragte mich jemand, woran das liegt. Nun, ich kann es nicht genau sagen ... wir Russlanddeutschen, auch wenn wir noch jung sind, uns von den Einheimischen in der Mentalität unterscheiden. Wir haben zum Beispiel eine andere Art, Witze zu erzählen und Spaß zu haben. Wir empfinden die Einheimischen als etwas kühl und weniger aufgeschlossen. Und wir können unter uns Russlanddeutschen natürlich viel besser über das sprechen, was wir in Russland, in unserem alten Zuhause erlebt haben. ... Ich bin kein großer Fan von Pop-Musik und Diskos. Ich höre lieber zu Hause klassische Musik. Und ich lese viel, russische und deutsche Literatur. Häufig schaue ich mir auch einen guten Film im Fernsehen an. Freitags und sonnabends gehe ich oft arbeiten. Die Arbeit ist zwar nicht sehr interessant, doch mit dem verdienten Geld kann ich mir ein paar Extrawünsche erfüllen, was ich sonst nicht könnte."

Sergej Dortmann:

  "Die meiste Zeit verbrachte ich zu Hause mit meiner Musik, d. h., ich spielte Gitarre und Keyboard. Außerdem sang ich gern. Das Gitarrespielen habe ich in Tscheljabinsk gelernt, ganz von selbst ohne Unterricht. Ich war mit einigen Jungs befreundet. Wir trafen uns auf der Straße, machten Musik und hatten großen Spaß."

(Kulturarchiv der Russlanddeutschen)

 
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