Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

3 "Deutsche Frage" und Lösungswege

3.1 Vorbildwirkung

In der Diskussion wurden zwar die positiven Leistungen der Kolonisten gewürdigt - die Kolonien als "Oasen in der Wüste" bezeichnet, aber es wurde auch immer wieder darauf verwiesen, dass ihr Einfluss auf die umliegenden Russen sehr gering sei, da die Kolonisten keinen Kontakt zu ihnen pflegten und zäh an ihren alten Sitten und an ihrer Sprache festhielten.

Der russische Ethnograph und Schriftsteller Afanassi Tschushbinski beschreibt in einem Bericht über seine Reise durch die Südukraine die Wirtschaften der deutschen Kolonisten in Jekatarinoslaw als vorbildlich, bemerkt aber, dass die russischen Bauern auf Grund einer rückständigen Agrarordnung gar nicht in der Lage waren, den deutschen "Musterwirten" link nachzueifern. Er berichtet in diesem Zusammenhang über die Begründung, die ein ukrainischer Bauer für dieses Phänomen hatte:   "Ukrainer können den deutschen Wohlstand nie einholen, denn die Deutschen hätten mehr Land zugeteilt, lernten von klein auf Arbeit und Ordnung, hätten eine gerechtere Verwaltung, überall Schulen, seien mit ihren Pferden schneller. Der russische Bauer fürchtet sich davor, seine langsamen Ochsen durch Pferde zu ersetzen, weil ihn die Obrigkeit dann sofort zu lästigen Fuhrdiensten einteile. Ebenso sei es mit den Gebäuden: Sobald man sich ein ordentliches Haus baue, habe man eine Einquartierung."

Er verwies wie P.A. Bibikow 1863 auf die unterschiedlichen Voraussetzungen link beider Gruppen. Nicht die den russischen Bauern vorgeworfene Faulheit und Trunksucht seien für deren Rückständigkeit verantwortlich zu machen, sondern die Bedingungen, unter denen die russischen Bauern leben mussten.

  "Abgesehen von den Privilegien und Vorteilen, die den Kolonisten gewährt wurden, die schon an und für sich wertvoll sind, vergessen sie das bis heute auf unseren Bauern lastende doppelte Joch der Leibeigenschaft und der polizeilichen Willkür."
 
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