Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

6 Kulturelles Leben bei den Russlanddeutschen

6.2 Sitten und Bräuche

6.2.1 Familienleben

6.2.1.1 Geburt und Kindstaufe

taufbecken
Die Geburt eines Kindes, besonders des Erstgebornen, war stets ein freudiges Ereignis für die Kolonisten.
Nach alter russlanddeutscher Überlieferung wurden "alle nächsten Verwandten, besonders die Großeltern des jungen Weltbürgers, ... von der glücklichen Niederkunft und Geburt benachrichtigt und zur baldigen Kindtaufe eingeladen.
Gewöhnlich wurde das Kind, wenn es gesund war, am folgenden Sonntag zur heiligen Taufe getragen. Bis dahin ließ man im ganzen Haus das Licht zum Schutze des Neugeborenen gegen böse Geister brennen. Die Wahl der Paten richtete sich meistens nach Verwandtschaftsgraden, indem die Brüder und Schwestern der Eltern zuerst an die Reihe kamen. Bei der Taufe bekam das Kind gewöhnlich den Namen des Taufpaten, wenn weiblich – den Namen der Taufpatin. Früher gab man den Kindern zwei und auch drei Namen. Wenn die Taufpaten ledig waren, so hatte die Patin beim Taufgang ein weißes Kleid an und trug auf dem Kopfe ein Kränzchen. Das weiße Kleidchen des Täuflings - mit einem hellblauen oder rosa Band um das Leibchen - und manchmal ein silbernes oder goldenes Kreuzchen wurden von den Paten gekauft.

Sobald das Kind nach der Taufe von den Paten und der Hebamme zurückgebracht wurde, begann der Taufschmaus. Es wurde viel gegessen und oft auf das Wohl des Kindes und der Mutter, die gewöhnlich noch im Bett lag, getrunken. Ein sonderbarer Brauch, wahrscheinlich von den Russen entlehnt, fand während des Mahles statt. Die Hebamme nämlich musste unbedingt süßen Schnaps haben, sonst sagte man, wird das Kind nicht gedeihen. Dieser Schnaps wurde von der Hebamme selbst mit Branntwein und gebranntem Zucker zubereitet und von ihr den Paten und den andern Gästen in einem Glas zum Kosten herumgereicht. Die Gäste nippten etwas an dem Glas, legten eine Silbermünze hinein und gaben dasselbe weiter. So wanderte das Glas mit dem süßen Schnaps zu allen Gästen und mit Münzen gefüllt in die Hände der Hebamme, als Anerkennung ihrer Verdienste bei der glücklichen Entbindung."

In früheren Zeiten wurden die Kindtaufen oft recht feierlich und verschwenderisch gehalten, so dass manchmal vom Fürsorgekomitee strenge Verbote gegen die Verschwendung und Ausgelassenheit bei Kindtaufen und Hochzeiten der Kolonisten erlassen wurden.
 
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