Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

1 wirtschaftliche Entwicklung der Russlanddeutschen

1.2 Landlose

1.2.3 Landerwerb

1.2.3.1 Eigenkapital

Erst als die Nachfrage nach Weizen und damit auch die Preise angestiegen waren und die Kolonisten ihre landwirtschaftlichen Betriebe auf den Weizenanbau umgestellt hatten, verdienten sie so viel, um Eigenkapital für den Landkauf aufzubringen. Zeitgenössische Hochrechnungen ermöglichen die Feststellung, dass beispielsweise ein Großwirt seinen Erben nach zwanzig Jahren ein Vermögen von rund 10.000 Rubeln hinterlassen konnte.

Gegenüber den Banken galten die deutschen Kolonisten als sparsame und zahlungsfähige Kunden, die rationell und fleißig wirtschafteten. Deshalb war es den Kolonisten des Gouvernements Cherson möglich, bei Banken rund zwei Drittel des Eigenlandes gegen Bankkredite zu verpfänden, um so etwa die Hälfte des Kaufpreises für neues Land zu erhalten. Oft benutzten die Kolonisten den gerade erhaltenen Kredit, um weiteres Land zu kaufen.

Über das Bestreben von Kolonisten, soviel Land wie nur möglich zu erwerben, schrieb der Pastor Jakob Stach 1904:

   "Es kommt bis heute selten vor, daß ein Kolonist bares Geld hat; er macht gern Schulden, wenn er nur seinen Landbesitz erweitern kann. Bevor er ein Landstück ganz ausbezahlt hat, kauft er schon wieder gegen Versatz ein neues, besonders wenn er viele Söhne hat."

Neben den Landkauf trat noch die Pacht landwirtschaftlicher Nutzflächen. Nach Aufhebung der Leibeigenschaft kamen zahlreiche russische Adlige nicht mit der neuen Wirtschaftsweise – ohne Leibeigene – zurecht und verpachteten große Teile ihres Grundbesitzes. Mancherorts wurde dies eine zusätzliche beachtliche Quelle, aus der bäuerliche Wirtschaften, auch solche von Kolonisten, schöpfen konnten.
 
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