Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

1 wirtschaftliche Entwicklung der Russlanddeutschen

1.3 Fortschritte in der Landwirtschaft

1.3.6 Missernten

1.3.6.2 Heuschrecken

heuschrecke
Jakob Stach berichtet, wie südrussische Kolonisten in den Jahren 1823 bis 1825 verzweifelt gegen die Heuschreckenplage kämpften und welche Schäden durch die gefräßigen Insekten angerichtet wurden:

   "Schon im ersten Jahre der Ansiedlung (1823.) war eine Mißerndte; wiewol die Feldfrüchte ziemlich geriethen: fehlte es doch an Heu; aber es ging noch kein Vieh verloren. Auch zeigten sich zur Heu-Erndtezeit, im Juni Monat genannten Jahres, einige Heuschrekken von rother Farbe, die, von verschiedenen Seiten her, nicht geflogen, sonder, auf der Erde kriechend, herankamen und über jeden, auf ihrem Zuge sich vorfindenden Gegenstand, ja selbst über Häuser, hinübergingen, durch Wasser hindurch schwammen und ihren Weg stets gerade fortsetzten. Bald darauf, im nämlichen Monat, fand sich wieder eine andere Gattung Heuschrekken, von grauer und grünlicher Farbe, ein, welche, vom Asowschen Meere her, in großen, die Sonne verfinsternden, Schwarmen, geflogen kamen. Indessen richteten diese, wenn gleich einen größern, als die ersten, doch auch noch keinen bedeutenden Schaden an. Allein: es erschienen täglich mehre, von allen Gegenden herkommende, Schwarmen und ließen viel Unheil befürchten; bis zum Herbste vermehrten sich dieselben sehr, überwinterten hierselbst, gruben sich in die Erde, bis an die Flügel ein, und legten 70. bis 80. Eier in die Oeffnung. Das Frühjahr 1824., da der Herbst des verflossenen Jahres troken und der Winter nicht streng gewesen, kamen die ausgebrüteten Heuschrekken zum Vorschein. Die Ansiedler bemühten sich sogleich, ehe sie noch dreimal gehäutet und Flügel erhalten hatten, auf verschiedene Weise zu vertilgen. Bei Tagesanbruch begaben sie sich mit Sieben auf die Steppe, schöpften vermittelst derselben die belebte Brut vom Grase in Säcke und ließen sie von Pferden zertreten.
heuschrecke
Es half aber wenig. Hierauf kam vom ehemaligen Jekatharinoslawschen Comptoir der Ausländischen Ansiedler ein Befehl und eine Anweisung, die Heuschrekken mit, von Brettern zusammengeschlagenen und mit Pferden bespannten, Quetschen, wie solcher Versuch schon früher in Bessarabien und bei Odeßa war gemacht worden, zu zermalmen. Die Ausführung geschahe auf folgende Weise: Jedes Dorf fertigte augenblicklich, nach dem Befehl, zwei Quetschen an. Sobald sich in der Nähe eines Dorfes ein Heuschrekken-Schwarm der eben ausgebrüteten hier sehen ließ, begaben sich mehre Dorfs-Gemeinden mit erwähnten Quetschen und Pferden (von jedem Wirthe zwei), nach dem Orte bei Tagesanbruch hin, spannten vor jeder, 9. Fuß langen und 4. Fuß breiten, Quetsche sechs Pferde, der Länge nach, auf jeder einzelnen derselben 3. Mann zur größern Schwere, standen, die sich an drei, an beiden Enden und in der Mitte senkrecht befestigten Pfösten, hielten, umringten den Platz, zogen immer engere Kreise, sowohl mit den Quetschen, als auch mit den, denselben nachfolgenden, Pferden, welche die, unter der Quetsche lebend davon gekommenen Heuschrekken noch zertreten mußten, bis sie zum Mittelpunkte gelangten, dahin die Heuschrekken ungefähr ein Fuß hoch zusammengedrängt waren, und zermalmten alsdann den Rest. – Allein, dieselben konnten noch immer nicht ausgerottet werden. Von andern unbewohnten Orten der freien Steppe begaben sich die dort ungehindert ausgebrüteten Jungen, nachdem sie zu fliegen vermogten, täglich in 3. bis 4. und mehren Schwärmen hieher, aus welchem Grunde die Ansiedler stets auf der Hut sein mußten, die herannahenden Feinde der Felder, mit Geschrei und Klappern, von der Frucht abzuwehren. Bei allen getroffenen Anstalten und Anstrengungen konnten sie die Heuschrekken doch nicht, wenn sie recht hungrig waren, abhalten; wo sie über ein Feld hinüber streiften, des Widerstandes wegen aber sich nicht niederzulassen wagten, bissen sie im Fluge die Aehren ab und ließen die Halme allein auf den Feldern zurück, zumal die Ansiedler nicht schnell genug nach allen, von Heuschrekken plötzlich überschwemmten, Orten zu eilen im Stande waren. Drei Jahre hindurch, von 1823, bis 1825, am meisten aber 1824, wurden diese Gegenden von Heuschrekken heimgesucht."

Die Heuschreckenplage von 1824 nahm im Schwarzmeergebiet solche Ausmaße an, dass die russische Regierung eine weitere Stundung des den Kolonisten gewährten Darlehns vornehmen musste.
 
Startseite  |   zurück  |   Inhalt   |   nach oben