Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

1 wirtschaftliche Entwicklung der Russlanddeutschen

1.2 Landlose

1.2.4 Kritische Stimmen

Kritische Stimmen aus Kolonistenkreisen machten schon in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts darauf aufmerksam, dass sich der Grundbesitz nicht unbegrenzt vermehren lasse und viele Kolonisten gar nicht mehr in der Lage seien, ihre Söhne in ausreichendem Maße mit Land zu versorgen. Notwendig seien daher Verfahren, mit denen auch kleinere Flächen produktiv bewirtschaftet werden könnten.

Für die Landlosen müssten Erwerbsquellen im Handwerk und in der Industrie geschaffen werden, da eine alleinige Ausrichtung auf die Landwirtschaft nicht für alle Zeiten aufrechtzuerhalten sei. 1912 kam sogar ein Autor in der "Odessaer Zeitung" (1./2. Juni) zu dem Schluss, dass es sinnvoller wäre, die Einnahmen aus der Verpachtung des Schäfereilandes als Stipendien an Söhne von Landlosen auszugeben, da sie auf diesem Wege eine gute Ausbildung erhalten würden. Diese sollte sie dann in die Lage versetzen, einen Beruf zu ergreifen, der ihre Existenz auch ohne Landbesitz sichern könnte.

Ein Landloser ergänzte diesen Beitrag knapp zwei Wochen später mit seinen Ausführungen. In der Ausgabe vom 14. Juni 1912 wurden sie in der "Odessaer Zeitung" veröffentlicht. Er vertrat die Meinung, dass viele Landlose entweder "die Bauerei gar nicht kennen oder aber ihr Land durch Faulenzen und Trunksucht verloren hätten". Auch hier wurde die Ansicht vertreten, dass eine bessere Schulausbildung eine effektivere Hilfe sei.

Die Gründung zahlreicher Mittel- und Fortbildungsschulen war ein Ansatz in diese Richtung. Die Landlosenversorgung begann sich auf die Berufsausbildung sowie Qualifizierung und Weiterbildung wie zum Beispiel die Verbreitung verbesserter Wirtschaftsmethoden zu verlegen.
 
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