Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

1 wirtschaftliche Entwicklung der Russlanddeutschen

1.1 Bevölkerungswachstum

1.1.3 Schleichende Verarmung

Die Übernahme des Mir-Systems durch die Kolonisten an der Wolga führte dazu, dass hier selten Forderungen nach Zuweisung neuer Landflächen an die Regierung gestellt wurden. Ungeachtet des Bevölkerungswachstums blieben ja alle männlichen Kolonisten Landbesitzer, auch wenn sich ihr Anteil ständig verringerte und vor allem wegen der Umverteilungsprinzipien mehr und mehr aufgesplittert wurde. Schon 1850 bekam ein Berechtigter bei der Umverteilung mancherorts nur noch 3,8 Desjatinen Boden. "Die Landlosigkeit und die Armut kamen hier sozusagen auf Schleichwegen. Sie fielen weniger ins Auge, da alle Gemeindemitglieder mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten." 1840 erfolgte unter Nikolaus I . eine Landzuweisung im Umfang von 458.000 Desjatinen (auf der Wiesenseite), womit der spürbare Landmangel behoben werden sollte. Dieses Land blieb aber lange ungenutzt, da den Kolonisten die Mittel für eine Besiedlung fehlten. Nur langsam kam es zur Gründung von Tochterkolonien, die oft den Namenszusatz "Neu" trugen. Das Land, das nicht erschlossen wurde, fiel 1871 wieder an die Krone zurück.

Die finanzielle Schwäche der Wolgakolonien zeigte sich auch beim Landzukauf oder der Pacht von Land. Um 1890 betrug der Anteil gekauften Landes nur 10,8% der gesamten Ackerfläche. Die wenigen vermögenden Kolonisten, die Land dazu kaufen konnten, wurden unter den Kolonisten "Manischka-Bauern" (Manischka, russ. = Hemdbrust, Chemisett) genannt, was Großbauern bedeutete. Die durchschnittliche Bauernwirtschaft in den Wolgakolonien verfügte über 15 bis 25 Desjatinen Land und 4 bis 6 Pferde. Für die sehr oft zehn oder zwölf Köpfe zählende Familie reichte der Ertrag aus der Landwirtschaft häufig nicht aus. Es musste entweder Land hinzugepachtet oder durch einen Nebenerwerb eine zusätzliche Einkunftsquellen gefunden werden.
 
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