Auswanderung der Deutschen
Teil II 1820 - 1917
2 Veränderte Rahmenbedingungen für die Russlanddeutschen
2.2 Russlanddeutsche und gesamtrussische Reformen
2.2.2 Militärdienst - Sondergesetz für Mennoniten von 1875
Bereits 1870 begannen zwischen den Mennoniten und der russischen Regierung Verhandlungen über deren Status bei Einführung der allgemeinen Militärdienstpflicht in Russland. Der Vorsitzende der Kommission zur Erarbeitung eines Gesetzes Graf von Heyde stellte ihnen in Aussicht, dass sie nur Sanitätsdienst zu leisten hätten. Die Vertreter der Mennoniten lehnten ab, da dies ja auch Einbeziehung in eine militärische Organisation bedeuten würde. In weiteren Verhandlungen erreichten die Mennoniten, dass folgender Passus in das Gesetz über die allgemeine Militärdienstpflicht (1. Januar 1874) aufgenommen wurde:
"Die Mennoniten können nur zu Diensten außer der Front für Hospitäler oder in den Werkstätten der Landtruppen oder des Marinewesens und in ähnlichen Anstalten verwandt werden, wobei sie vom Tragen des Gewehrs befreit sind. Doch diese Regel wird auf die Mennoniten nicht ausgedehnt, die sich einer Sekte anschließen oder die nach Erlass dieses Gesetzes aus dem Ausland in das Reich übersiedeln."
Trotz dieser Zugeständnisse wurde von einem Teil der Mennoniten weiterhin die Auswanderung aus Russland betrieben. Sie betrachteten auch den Lazarettdienst als eine Form des Militärdienstes, durch den die Jugend den Versuchungen des Kasernendienstes ausgesetzt sei. Diese Haltung veranlasste Zar Alexander II., General von Totleben zu weiteren Verhandlungen nach Südrussland zu schicken. Es wurde schließlich festgelegt, dass wehrpflichtige Mennoniten ihren Ersatzdienst ohne Unterstellung unter das Kriegsministerium zu leisten hätten und dies vornehmlich in Südrussland geschehen konnte.
Sie sollten dies in Gruppen tun, "um ihnen damit die Möglichkeit zu geben, den Gottesdienst gemeinschaftlich nach ihren Glaubensregeln zu verrichten".
Der Dienst sollte abgeleistet werden:
"a) in den Werkstätten des Marineressorts,
b) in der Feuerwehr und
c) in besonderen mobilen Kommandos des Forst-Ressorts, denen die Verpflichtung aufliegt, den Süden Rußlands zu bewalden".
Im Jahre 1880 nahmen die Mennoniten das Angebot des Ministeriums für Staatsdomänen an, in den Gouvernements Krim und Jekaterinoslaw sechs mobile Forstkommandos mit vierjähriger Dienstzeit unter Aufsicht gewählter Vorsteher zu bilden und zu deren Unterhaltungskosten beizutragen. 1903 dienten in den Forstkommandos 550 junge Mennoniten, für deren Unterhalt die Gemeinden durch Selbstbesteuerung 78.000 Rubel aufbrachten.