Im Zuge eines umfangreichen Reformwerkes zur Modernisierung der russischen Armee wurde zum 1. Januar 1874 die allgemeine Militärdienstpflicht eingeführt.
Auch Russlanddeutsche - Männer mit 21 Jahren - hatten nun sechs Jahre aktiven Militärdienst zu leisten und danach neun Jahre in der Reserve zu stehen. Für sie bedeutete dies den Verlust ihres letzten Privilegs, was von vielen als Bruch einstiger Versprechen empfunden wurde. Im Gedicht "Das Manifest" kommt diese Stimmung zum Ausdruck. Es heißt dort:
"Wir verließen unser Vaterland
Und zogen in das Russenland,
Die Russen waren uns sehr beneidt,
Und weil wir waren so lang befreit,
So brachten Sie's dahin mit List,
Daß wir nicht mehr sollten sein Kolonist.
Ei keine Kolonisten sind wir mehr
Und müssen tragen das Gewehr.
Was doch durch den Neid geschieht?
Man das Manifest vernicht't
Stammen aus dem Deutschen Reich,
Jetzt sind wir den Russen gleich."
Der Verlust dieses Privilegs zog die
Auswanderung zahlreicher Russlanddeutscher nach Nord- und Südamerika nach sich. Unter den Auswanderern waren sehr viele Mennoniten, die es vorzogen, trotz der ihnen
im Sondergesetz vom 14. Mai 1875 zugestandenen Befreiung vom direkten Militärdienst das Land zu verlassen.
Eine ablehnende Haltung zum Militärdienst war allerdings nicht bei allen Russlanddeutschen anzutreffen. In einem in der "Odessaer Zeitung" vom 10. Oktober 1878 veröffentlichten Leserbrief wird die Ansicht vertreten, dass auch "unsere Deutschen in Deutschland" verpflichtet seien, Militärdienste zu leisten. Es wird die Frage gestellt, ob es überhaupt einen Staat ohne allgemeine Wehrpflicht gäbe. Außerdem seien in dem Gesetz zahlreiche Bedingungen enthalten, die eine Befreiung vom Militärdienst oder dessen
Verkürzung ermöglichten (die Zahl der Söhne in einer Familie, zu versorgende arbeitsunfähige Greise, Witwen und Waisen, die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Schulbildung).
Eine solche Haltung kommt auch in einem Vers des von Philip Knies stammenden "Kaiserliedes" zum Ausdruck.
"Der Kaiser ruft, wir müssen gehen
Als Erstlinge von deutschem Blut.
So mag es denn mit Gott geschehen,
Mit deutschem Herzen und deutschem Mut."
Im Krieg Russlands gegen die Türkei 1877/78 dienten bereits
Russlanddeutsche in der zaristischen Armee . Die vom Militärdienst befreiten Mennoniten leisteten ihren Beitrag durch umfangreiche Getreide- und Geldspenden.
Im Russisch-Japanischen Krieg 1904/1905 und dann im Ersten Weltkrieg waren russlanddeutsche Armeeangehörige schon eine gewohnte Erscheinung, während die Mennoniten Ersatzdienste leisten mussten.