Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil III 1917 - 1955

2 Russlanddeutsche in der Sowjetunion der 20er Jahre

2.4 Im Kampf gegen den Hunger

2.4.2 Aktivitäten der autonomen Gebietsorgane

In dieser komplizierten Situation für Sowjetrussland traten die staatlichen und Parteiorgane der Wolgakommune mit vielen Initiativen hervor. Diese realisierten sie aus eigener Kraft oder mit Unterstützung der föderalen sowjetrussischen Einrichtungen. Dabei waren die autonomen Organe im Wechselspiel der staatlichen und Parteigremien verschiedener Ebenen keineswegs nur Objekt. Das verdeutlichte z. B. bereits ihre Einflussnahme auf die Modifizierung der Naturalsteuer.

Zu den von den Organen der Wolgakommune ergriffenen Maßnahmen link gehörten u. a.: die Einrichtung von Speisehallen für vom Hunger Betroffene, die Vermittlung von Arbeitslosen auf die Erdölfelder von Baku und die Beschaffung von Rohstoffen für die Sarpinkaproduktion, womit sie Arbeitsplätze und Unterhalt von 8 000 Webern sicherten. Ferner veranlassten sie den Abtrieb von Vieh in Gebiete, wo die Weiden noch Futter gaben, und die Evakuierung von hungernden Kindern link.

Bei den zentralen Behörden setzten sie ein striktes Ausfuhrverbot für Lebensmittel aus dem Wolgagebiet durch, solange es dort noch welche gab. Gleichzeitig erreichten sie gegen manchen Widerstand sowjetischer Wirtschaftsbehörden, dass Hilfsgüter aus dem Ausland, wie Maschinen, Saatgut und Zugvieh, grundsätzlich zollfrei an die Wolga kamen.

Eine wichtige Aufgabe stellte der sorgfältige Umgang mit den aus dem In- und Ausland eintreffenden Hilfsgütern dar. Dazu gehörte die Bereitstellung von Transportmitteln, damit diese von Saratow aus zügig verteilt werden konnten. Solange Aussicht auf eine erfolgversprechende neue Aussaat und Ernte bestand, betraf dies auch das gespendete Saatgut. Letztlich musste jedoch der Beschluss gefasst werden, das Saatgut ebenfalls für die Versorgung der Hungernden einzusetzen. Trotz der scheinbar ausweglosen Situation setzten sich die Kommunebehörden nachdrücklich für den Erhalt der bäuerlichen Wirtschaften ein.

Im Kampf gegen den Hunger waren härteste Maßnahmen erforderlich, das Gebietsexekutivkomitee führte die Todesstrafe ein.

Ein besonderes Kapitel im Mitwirken der wolgadeutschen Sowjetorgane bei der Bewältigung der Hungersnot und ihrer Folgen waren die Versuche, die in der Kolonistenbank in Berlin vorhandenen "Emigrantengelder" zu bekommen. Zu einem solchen direkten Hilfsweg waren die Banker aus Kreisen emigierter wohlhabender Kolonisten indes nicht bereit.
 
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