Auswanderung der Deutschen
Teil III 1917 - 1955
2 Russlanddeutsche in der Sowjetunion der 20er Jahre
2.4 Im Kampf gegen den Hunger
2.4.5 Folgen für die Landwirtschaft
Die Auswirkungen von Dürre und Hungersnot auf dem Lande, wo über 90 Prozent der wolgadeutschen Bevölkerung lebten, waren katastrophal. Die Anbaufläche für Weizen und Roggen verringerte sich von 1920 bis 1922 um rund 236 000 Desjatinen. Die Felder waren verunkrautet und von Feldschädlingen befallen. 1922 vernichteten erneute Dürreerscheinungen und besonders eine große Heuschreckenplage alle Hoffnungen auf eine gute Ernte, die dank umfangreicher Saatgutspenden aus allen Landesteilen zunächst herangewachsen war.
Der Mangel an Arbeitsvieh und Milchkühen war immens. Zum 1. Januar 1922 verfügten zehn Wirtschaften (es gab über 58 600 Bauernwirtschaften) zusammen über neun Stück Arbeitsvieh. Insgesamt gingen 70 Prozent des Arbeitsviehs verloren. Landwirtschaftliches Gerät war – sofern vorhanden – sehr ungleich verteilt und oftmals unbrauchbar oder reparaturbedürftig. Ein großer Teil des Inventars ist "für Brot verhandelt" worden.
Die mit der NÖP eingeführte Naturalsteuer wurde der Wolgakommune 1921 vollkommen erlassen. Für 1922 betrug sie 1,8 Millionen Pud Getreide (von 248 Millionen für ganz Russland). Sie wurde jedoch an der tatsächlichen miserablen Ernte gemessen und halbiert. Bei sofortiger Steuerabgabe nach der Ernte erhielten die Bauern einen weiteren Nachlass von 10 Prozent. Das abgelieferte Getreide wurde sofort in die Hungergebiete gebracht.