Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil III 1917 - 1955

2 Die Russlanddeutschen unter der Sowjetmacht

2.6 Wirtschaftliche Entwicklung und Leistungskraft der ASSR der Wolgadeutschen

2.6.5 Genossenschaften

Unter den Bedingungen der NÖP waren unterschiedlichste Formen bäuerlicher Zusammenschlüsse entstanden, zu denen am Vorabend der Kollektivierung der Landwirtschaft rund zwei Drittel aller Bauernwirtschaften gehörten. Diese Entwicklung wurde auch in der Wolgarepublik von der Regierung gefördert. Der stellvertretende Landwirtschaftskommissar Schlegel bezeichnete dann auch 1925 die "bedeutende Entwicklung der landwirtschaftlichen Kooperation" als die damals "größte Besonderheit" im wolgadeutschen Dorf.

Seit Anfang der zwanziger Jahre entwickelten sich genossenschaftliche Beschaffungs- und Vertriebsorgane besonders dynamisch. So gehörten 1927 über die Hälfte aller Bauernwirtschaften zu einer dieser kooperativen Vereinigungen. Diese leisteten einen wertvollen Beitrag für die Landwirtschaftsentwicklung, indem sie die Bauern mit hochwertigem, sortenreinem Saatgut sowie mit Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Maschinen versorgten.
genossenschaften
Kreditiert von der Wolgadeutschen Bank entstanden ferner genossenschaftliche Betriebe zur Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte – z. B. 19 Käse- und 26 Butterfabriken bis 1925. Insgesamt gab es in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre 118 bedeutende genossenschaftliche Unternehmen einschließlich Mühlen, die vom Staat gepachtet waren.

In der Wolgarepublik nahmen Konsumvereine oder -genossenschaften bei der Versorgung der Bevölkerung – vor allem auf dem Lande – eine führende Position ein. Sie verkauften nicht nur landwirtschaftliche Erzeugnisse, sondern auch etwa zwei Drittel der in den staatlichen Betrieben erzeugten Industrieprodukte.

Der Verband der Konsumgenossenschaften konnte schließlich auch Mittel für die kulturelle Arbeit bereitstellen. Ende der zwanziger Jahre unterhielt er z. B. 85 Kinderkrippen, 14 Kindergärten und 120 Kinderspielplätze, wo ca. 7 000 Bauernkinder betreut wurden.

Im breiten Genossenschaftsspektrum der zwanziger Jahre nahmen sich die bestehenden 181 bäuerlichen Kollektivwirtschaften bescheiden aus, zumal sie wirtschaftlich schwach waren.
 
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