Auswanderung der Deutschen
Teil III 1917 - 1955
2 Russlanddeutsche in der Sowjetunion der 20er Jahre
2.5 Die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (ASSR) der Wolgadeutschen
2.5.4 Bedeutung der ASSR der Wolgadeutschen
2.5.4.1 Wolgadeutsche und reichsdeutsche Stimme
Edgar Groß, Vertreter der ASSR der Wolgadeutschen beim Moskauer Zentralexekutivkomitee, schrieb, die Bildung der Autonomen Republik habe nicht nur den inneren Aufgaben und dem wachsenden politischen Selbstverständnis der wolgadeutschen Bevölkerung entsprochen, "sondern auch den außerordentlichen Interessen am Schicksal der Wolgadeutschen in Deutschland, wo die politischen Ereignisse des Winters 1923/24 zur siegreichen Vollendung der proletarischen Revolution zu führen schienen".
Wilhelm Kurz schrieb, lange bevor er Vorsitzender des Rates der Volkskommissare der Wolgarepublik wurde: "Man muß schließlich die deutschen Kolonisten real spüren lassen, daß die RSFSR nicht Stiefmutter, sondern die ... wahre Mutter der nationalen Minderheiten ist."
Harry Richter, Direktor des Diplomatischen Archivs Berlin und Leiter des deutsch-wolgadeutschen Pressedienstes, gab die offiziellen sowjetischen Auffassungen wieder, indem er von einem Staatsgebilde sprach, "das in vielen Beziehungen richtunggebend für die umliegenden Gebiete ist". Die ASSR könne als "Ausgangspunkt des kulturellen und wirtschaftlichen Aufbaues des gesamten unteren Wolgagebietes dienen". Wie andere autonome Sowjetrepubliken sei auch die ASSR keine "Scheinsache".
Selbst Pastor Johannes Schleuning, vor den Sowjets nach Deutschland emigriert, würdigte die Gründung der ASSR: "Schon die Tatsache ihrer Proklamierung allein ... wird von bleibendem geschichtlichen Wert sein und vielleicht noch einmal bei der Lösung der so überaus schweren Minderheitenfragen eine Rolle spielen".
Deutsche Rechtswissenschaftler, die sich mit dem neuartigen Staatsgebilde an der Wolga beschäftigten, hoben insbesondere die für den Gebrauch der deutschen Sprache in der ASSR gegebenen Voraussetzungen und Sicherheiten hervor. Man müsse "ehrlich den Fortschritt gegenüber früheren zarischen Zeiten anerkennen, und gerade wir Reichsdeutschen können und sollen uns freuen ob der Rettung einer kleinen Insel deutschen Volkstums ...", schrieb u. a. der Jurist Manfred Langhans-Ratzeburg.