Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil III 1917 – 1955

Die Russlanddeutschen unter der Sowjetmacht

3 Stalinistische Herrschaft und Russlanddeutsche

3.2 Stalinistische Säuberung

3.2.4 Stalinistischer Terror gegen die deutsche Bevölkerung in der Ukraine

3.2.4.1 Auszug aus dem Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik von 1927

E r s t e s K a p i t e l
Staatsverbrechen
1. G e g e n r e v o l u t i o n ä r e V e r b r e c h e n
58/1.
Als gegenrevolutionär gilt jede Handlung, die auf den Sturz, die Unterhöhlung oder die Schwächung der Herrschaft der Räte der Arbeiter und Bauern und der von ihnen auf Grund der Verfassung der Union der SSR und der Verfassungen der Unionsrepubliken gewählten Regierungen der Arbeiter und Bauern der Union der SSR, der Unionsrepubliken und autonomen Republiken oder auf die Unterhöhlung oder die Schwächung der äußeren Sicherheit der Union der SSR und der grundlegenden wirtschaftlichen, politischen und nationalen Errungenschaften der proletarischen Revolution gerichtet ist.

Kraft der internationalen Solidarität der Interessen aller Werktätigen gelten Handlungen gleicher Art als gegenrevolutionär auch dann, wenn sie gegen einen anderen – der Union der SSR nicht angehörenden – Staat der Werktätigen gerichtet sind. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/1a.
Vaterlandsverrat, d. h. Handlungen, begangen von Bürgern der UdSSR zum Nachteil der militärischen Macht der UdSSR, ihrer staatlichen Unabhängigkeit oder die Unantastbarkeit ihres Gebiets, wie Spionage, Preisgabe eines militärischen oder Staatsgeheimnisse, Überlaufen zum Feind, Flucht ins Ausland2, wird bestraft. – mit der schwersten Kriminalstrafe – Erschießung, verbunden mit Konfiskation des gesamten Vermögens, bei Vorliegen mildernder Umstände – mit zehn Jahren Freiheitsentzug, verbunden mit Konfiskation des gesamten Vermögens. [20. Juli 1934 (GS Nr. 30, Art. 173)]3).

58/1b.
Die gleichen Handlungen werden, wenn von einer Militärperson begangen, mit der schwersten Kriminalstrafe – Erschießung, verbunden mit Konfiskation des gesamten Vermögens, bestraft. [20. Juli 1934 (GS Nr. 30, Art. 173)].

58/1c.
Flieht eine Militärperson ins Ausland, so werden die volljährigen Mitglieder ihrer Familie, sofern sie die Vorbereitung oder Begehung des Verrats in irgend einer Weise gefördert oder davon zwar gewusst, die Behörden aber nicht in Kenntnis gesetzt haben, bestraft – mit Freiheitsentziehung von fünf bis zu zehn Jahren, verbunden mit der Konfiskation des gesamten Vermögens.

Die übrigen volljährigen Mitglieder der Familie des Verräters, die mit ihm zusammengelebt haben oder zur Zeit der Begehung des Verbrechens von ihm unterhalten worden sind, – werden ihrer Wahlrechte für verlustig erklärt und auf fünf Jahre in entlegene Bezirke Sibiriens verschickt. [20. Juli 1934 (GS Nr. 30, Art. 173)].

58/1d.
Unterlässt es eine Militärperson, von einem in Vorbereitung befindlichen oder vollendeten Verrat Anzeige zu erstatten, so zieht dies nach sich – Freiheitsentziehung von zehn Jahren.
Wird eine solche Unterlassung von sonstigen Bürgern (Nichtmilitärpersonen) begangen, so wird sie gemäß Art. 5812 verfolgt. [20 Juli 1934 (GS Nr. 30, Art. 173)].

58/2.
Bewaffneter Aufstand oder Eindringen von bewaffneten Banden in das Sowjetgebiet in gegenrevolutionärer Absicht, Ergreifung der zentralen oder örtlichen Gewalt in der gleichen und insbesondere der Absicht, von der Union der SSR und der einzelnen Unionsrepublik irgend einen ihrer Gebietsteile gewaltsam abzutrennen oder die von der Union der SSR mit ausländischen Staaten abgeschlossenen Verträge aufzuheben, ziehen nach sich – die schwerste Maßnahme des sozialen Schutzes – Erschießung oder Erklärung zum Feind der Werktätigen, verbunden mit Vermögenskonfiskation, Aberkennung der Staatsangehörigkeit der Unionsrepublik und damit der Staatsangehörigkeit der Union der SSR und dauernder Verweisung aus dem Gebiet der Union der SSR; bei Vorliegen mildernder Umstände ist Herabsetzung bis zu Freiheitsentziehung nicht unter drei Jahren, verbunden mit völliger oder teilweiser Vermögenskonfiskation, zulässig.[ 6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/3.
Unterhaltung von Beziehungen zu einem ausländischen Staat oder zu einzelnen Vertretern desselben in gegenrevolutionärer Absicht oder Vorschubleistung jeder Art zugunsten eines ausländischen Staates, der sich mit der Union der SSR im Zustand des Krieges, der bewaffneten Intervention oder Blockade befindet, ziehen nach sich – die in Art. 58/2 dieses Gesetzbuchs bezeichneten Maßnahmen des sozialen Schutzes. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/4.
Jegliche Art der Unterstützung des Teiles der internationalen Bourgeoisie, der die Gleichberechtigung des das kapitalistische System ablösenden kommunistischen Systems nicht anerkennt und seinen Sturz erstrebt, oder der sozialen Gruppen und Organisationen, die unter dem Einfluss dieser Bourgeoisie stehen oder unmittelbar von ihr organisiert sind, bei Ausübung der der Union der SSR feindlichen Tätigkeit, zieht nach sich – Freiheitsentziehung nicht unter drei Jahren, verbunden mit völliger oder teilweiser Vermögenskonfiskation; bei Vorliegen besonders erschwerender Umstände: Erhöhung bis zur schwersten Maßnahme des sozialen Schutzes – Erschießung oder Erklärung zum Feind der Werktätigen, verbunden mit Aberkennung der Staatsangehörigkeit der Unionsrepublik und damit der Staatsangehörigkeit der Union der SSR, dauernder Verweisung aus dem Gebiet der Union der SSR und Vermögenskonfiskation. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/5.
Veranlassung eines fremden Staates oder irgendwelcher in ihm bestehender sozialer Gruppen im Wege der Konspiration mit ihren Vertretern, durch Benutzung falscher Urkunden oder auf sonstige Weise zu einer Kriegserklärung, einer bewaffneten Einmischung in die Angelegenheiten der Union der SSR oder zu sonstigen unfreundlichen Akten, insbesondere 2 Strafgesetzbuch der RSFSR

Blockade, Beschlagnahme von Staatseigentum der Union der SSR oder der Unionsrepubliken, Abbruch der diplomatischen Beziehungen, Bruch der mit der Union der SSR geschlossenen Verträge u. dgl., zieht nach sich – die in Art. 58/2 dieses Gesetzbuchs bezeichneten Maßnahmen des sozialen Schutzes. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/6.
Spionage, d. h. Weitergabe, Entwendung oder zwecks Weitergabe vorgenommene Sammlung von Nachrichten, die sich ihrem Inhalt nach als ein besonders schutzwürdiges Staatsgeheimnis darstellen, zugunsten ausländischer Staaten, gegenrevolutionärer Organisationen oder Privatpersonen, zieht nach sich –
Freiheitsentziehung nicht unter drei Jahren, verbunden mit völliger oder teilweiser Vermögenskonfiskation; in den Fällen jedoch, in denen die Spionage besonders schwere Nachteile für die Interessen der Union der SSR herbeigeführt hat oder hätte herbeiführen können: Erhöhung bis zur schwersten Maßnahme des sozialen Schutzes – Erschießung oder Erklärung zum Feind der Werktätigen, verbunden mit der Aberkennung der Staatsangehörigkeit der Unionsrepublik und damit der Staatsangehörigkeit der Union der SSR, dauernder Verweisung aus dem Gebiet der Union der SSR und Vermögenskonfiskation.

Weitergabe, Entwendung oder zwecks Weitergabe vorgenommene Sammlung von wirtschaftlichen Nachrichten, die sich ihrem Inhalt nach als ein besonders schutzwürdiges Staatsgeheimnis nicht darstellen, aber gemäß einem ausdrücklichen gesetzlichen Verbot oder der Verfügung des Leiters einer Behörde, Anstalt oder Unternehmung der Bekanntgabe entzogen sind, zugunsten der oben bezeichneten Organisationen und Personen, sei es entgeltlich, sei es unentgeltlich, ziehen nach sich – Freiheitsentziehung bis zu drei Jahren. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

Anmerkung 1. Als besonders schutzwürdiges Staatsgeheimnis gelten Nachrichten, die in einem besonderen, vom Rat der Volkskommissare der UdSSR im Einvernehmen mit den Räten der Volkskommissare der Unionsrepubliken bestätigen und zur allgemeinen Kenntnis gebrachten Verzeichnis aufgeführt sind. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

Anmerkung 2. Soweit die Spionage von einer der in Art. 1931 dieses Gesetzbuchs bezeichneten Personen begangen wird, verbleibt es bei der Bestimmung des Art. 193/24 desselben Gesetzbuchs. [9. Januar 1928 (GS Nr. 12, Art. 108)].

58/7.
Unterhöhlung der staatlichen Industrie, des staatlichen Verkehrswesen, Handels, Geldverkehrs oder Kreditsystems sowie des Genossenschaftswesens, begangen in gegenrevolutionärer Absicht durch missbräuchliche Benutzung staatlicher Behörden oder Unternehmen oder durch Beeinträchtigung ihrer normalen Tätigkeit, sowie missbräuchliche Benutzung staatlicher Behörden oder Unternehmen oder die Beeinträchtigung ihrer Tätigkeit, begangen im Interesse der ehemaligen Eigentümer oder interessierter kapitalistischer Organisationen, ziehen nach sich – die in Art. 58/2 dieses Gesetzbuchs bezeichneten Maßnahmen des sozialen Schutzes. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/8.
Begehung terroristischer Handlungen gegen Vertreter der Sowjetmacht oder Funktionäre revolutionärer Organisationen der Arbeiter und Bauern sowie Teilnahme auch einer gegenrevolutionären Organisation nicht angehöriger Personen an der Ausführung solcher Handlungen ziehen nach sich – die in Art. 582 dieses Gesetzbuchs bezeichneten Maßnahmen des sozialen Schutzes [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/9.
In gegenrevolutionärer Absicht mittels Sprengung, Brandstiftung oder auf andere Weise begangene Zerstörung oder Beschädigung von Eisenbahnen oder sonstigen Verkehrswesen und –mitteln, von nationalen Nachrichtenmitteln, Wasserleitungen, öffentlichen Depots oder sonstigen zum staatlichen oder öffentlichen Vermögen gehörigen Anlagen zieht nach sich – die in Art. 582 dieses Gesetzbuchs bezeichneten Maßnahmen des sozialen Schutzes. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/10.
Propaganda oder Agitation, die zu Sturz, Unterhöhlung oder Schwächung der Sowjetherrschaft oder zu Begehung einzelner gegenrevolutionärer Verbrechen (Art. 58/2 – 58/9 dieses Gesetzbuchs) auffordern, sowie Verbreitung, Herstellung oder Aufbewahrung von Schriften gleichen Inhalts ziehen nach sich – Freiheitsentziehung nicht unter sechs Monaten.
Werden die gleichen Handlungen bei Massenaufruhr, unter Ausnutzung religiöser oder nationaler Vorurteile der Massen, während des Krieges oder an Orten, über die der Kriegszustand verhängt ist, begangen, so ziehen sie nach sich – die in Art. 58/2. dieses Gesetzbuchs bezeichneten Maßnahmen des sozialen Schutzes. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/11.
Auf die Vorbereitung oder Begehung der in diesem Kapitel vorgesehenen Verbrechen gerichtete organisatorische Tätigkeit jeglicher Art sowie Teilnahme an einer Organisation, die zur Vorbereitung oder Begehung eines in diesem Kapitel vorgesehenen Verbrechens gebildet worden ist, ziehen nach sich – die in den entsprechenden Artikeln dieses Kapitels genannten Maßnahmen des sozialen Schutzes. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/12.
Nichtanzeige eines in Vorbereitung befindlichen oder vollendeten gegenrevolutionären Verbrechens, von dem man auf glaubwürdige Weise Kenntnis erlangt hat, zieht nach sich – Freiheitsentziehung nicht unter sechs Monaten. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/13.
Aktive Handlungen und aktiver Kampf gegen die Arbeiterklasse und die revolutionäre Bewegung, ausgeführt auf verantwortlichem Posten oder im Geheimdienst (Agentur) während des zaristischen Regimes oder bei gegenrevolutionären Regierungen während des Bürgerkriegs ziehen nach sich – die in Art 582 dieses Gesetzbuchs bezeichneten Maßnahmen des sozialen Schutzes. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

58/14.
Gegenrevolutionäre Sabotage, d. h. bewusste Nichterfüllung bestimmter Verpflichtungen oder deren vorsätzlich unzulängliche Erfüllung in der speziellen Absicht, die Macht der Regierung und das Funktionieren des Staatsapparates zu beeinträchtigen, zieht nach sich – Freiheitsentziehung nicht unter einem Jahr, verbunden mit völliger oder teilweiser Vermögenskonfiskation; bei Vorliegen besonders erschwerender Umstände: Erhöhung bis zur schwersten Maßnahme des sozialen Schutzes – Erschießung, verbunden mit Vermögenskonfiskation. [6. Juni 1927 (GS Nr. 49, Art. 330)].

1) Das erste Kapitel gilt seit dem Inkrafttreten der Verordnung über die Staatsverbrechen, die auf der 3. Tagung der III. Wahlperiode des Zentralexekutivkomitees der UdSSR am 25. Februar 1927 angenommen wurde (GS UdSSR 1927, Nr. 12, Art. 123).
2) Der russische Text unterscheidet "Davonlaufen" und "Davonfliegen" ins Ausland. Der Begriff "Flucht" deckt beides.
3) Die Art. 58/1a – 58/1d gelten seit dem Inkrafttreten der Verordnung des ZIK der UdSSR vom 8. Juni 1934 (GS UdSSR Nr. 33, Art. 255).

 
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