In der Theorie und im Programm der KPDSU(B) war die Lösung der Agrarfrage nach der Beseitigung des Privateigentums an Grund und Boden – das entsprechende Dekret wurde am 26.Oktober 1917 erlassen – mit der Beseitigung der Dorfbourgeoisie und Kulaken und der Umgestaltung der Wirtschafts- und Klassenstruktur durch gemeinsame Bewirtschaftung des Bodens und die Schaffung landwirtschaftlicher Großbetriebe, d.h. Kollektivierung und Herausbildung einer homogenen Bauernschaft, vorgezeichnet.
Angesichts der Getreidekrise Ende der zwanziger Jahre orientierte die Partei- und Staatsführung auf einen beschleunigten Übergang zur "durchgängigen Kollektivierung". So glaubte man das Versorgungsproblem dauerhaft lösen zu können und zugleich die "letzte Ausbeuterklasse" auszuschalten.
Ein ZK-Beschluss vom Januar 1930 legte harte Fristen für die Durchsetzung fest:
- Nordkaukasus, Mittlere und Untere Wolga – Herbst 1930/Frühjahr 1931
- Zentrales Schwarzmeergebiet, Ukraine, Ural, Sibirien, Kasachstan – Frühjahr 1932
- Alle übrigen Landwirtschaftsgebiete Ende des 1. Fünfjahrplanes 1932.
Diese Festlegungen wurden genauso umgangen und verletzt wie die Orientierungen über die Freiwilligkeit eines Eintritts in eine Kollektivwirtschaft (Kolchos) und die Abfolge sowie den Umfang der Vergesellschaftung von Grund und Boden, Vieh und landwirtschaftlichen Geräten.
Es begann ein regelrechter, von zentralen und territorialen Partei- und Staatsorganen geschürter Wettbewerb um die schnellstmögliche "durchgängige Kollektivierung". Bäuerlicher Widerstand wurde zunehmend mit Gewalt und Zwang gebrochen, nicht selten durch die Eingliederung widersetzlicher Bauern in die Kategorie der Kulaken.
Für die Kolchose wurden aus dem Staatshaushalt beträchtliche Mittel zur Verfügung gestellt. Maschinen- und Traktorenstationen übernahmen die "technischen Dienstleistungen" in den neuen Wirtschaftsstrukturen. Im Ganzen war die technische Basis der Kolchose aber unzureichend.
Die erhoffte positive Wirkung der Kollektivierung blieb im gesamtsowjetischen Rahmen aus, wie die Hungersnot von 1932/33 zeigte.