Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil IV 1955 bis Heute

5 Neubeginn in Deutschland

5.1 Erwartungen

5.1.3 Realität

5.1.3.2 Über das Einleben

Walery Höschele:

  "Um hier in Deutschland wirklich Wurzeln zu schlagen, mich zu Hause fühlen zu können, brauche ich Arbeit. Ohne sie geht es nicht. Mit 47 Jahren bin ich einfach zu jung, um nur auf die Erfolge der Söhne und das politische Engagement meiner Frau zu schauen. Natürlich, ihr Fortkommen, das bedeutet mir viel, ich bin stolz auf sie. Doch für mich kann es beruflich nicht alles gewesen sein, ich will mich damit nicht abfinden."

Walentina Bosserdt:

  "Nach Monaten erfolgloser Bewerbungen habe ich ... Wie gesagt, ich wusste, dass es schwierig sein würde, eine feste Arbeitsstelle zu bekommen. Dass es aber so schwer sein würde, das habe ich nicht vorhergesehen. Neben dem Problem der Arbeit gibt es noch eine andere große Schwierigkeit, die ich nicht erahnt habe. Um in Deutschland wirklich heimisch zu werden, ist es auch wichtig, innerlich anzukommen."

Oleg Hoffmann:

  "... spüre ich allerdings auch hier zuweilen eine gewisse Fremdheit oder ich habe, besser gesagt, das Empfinden, nicht völlig dazuzugehören. ... Doch es kommt vor, dass es des öfteren Augenblicke gibt, an denen ich mich nicht dazugehörig fühle. Es wird z. B. in der Runde über etwas herzlich gelacht. Und ich bin der einzige, der nicht weiß, weshalb sie sich so amüsieren. Woran liegt das? Erst nach und nach bin ich dahinter gekommen. Das zwanglose Gespräch im Alltag lebt in großem Maß von Andeutungen und Anspielungen. Die Gesprächspartner, die in der gleichen Gesellschaft und Kultur aufgewachsen sind, haben einen gemeinsamen und ähnlichen Wissens- und Erfahrungshintergrund. Viele Dinge brauchen nicht ausgesprochen zu werden, man versteht sich aufgrund von Andeutungen. Mir, der in Russland groß geworden ist, bleibt da vieles verschlossen. Ich glaube, dass ich solche Dinge nur sehr langsam über viele Jahre hin abbauen [kann], erst in dem Maße, wie ich als "inzugekommener" hier eine längere Zeit meines Lebens verbracht habe".

(Kulturarchiv der Russlanddeutschen)

 
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