Die Binnenkolonisation hatte das Ziel, Menschen im eigenen Herrschaftsbereich auf bisher nicht genutztem Boden anzusiedeln.
Folgendes Beispiel zeigt den Versuch, minderwertiges Land für eine landwirtschaftliche Nutzung zu erschließen:
Im Sommer 1788 verloste die münsterische Regierung unter Fürstbischof Maximilian Franz insgesamt 441 Siedlerstellen in 14 Kolonien im Bourtanger Moor.
Diese Landschaft war menschenleer, unwegsame Moorflächen beherrschten sie. Sie bildeten natürliche Grenzlinien zu den benachbarten Territorien. Insgesamt waren zur Zeit der Kolonisation ca. 40% des nördlichen Emslandes von Mooren bedeckt, die nicht oder kaum bewirtschaftet wurden.
Trotz der dünnen Besiedlung - gegen Ende des 18. Jahrhunderts lebten im gesamten Emsland ca. 50.000 Menschen - stellte sich das nördliche Emsland zu dieser Zeit, gemessen an seinen landwirtschaftlichen Ressourcen und der Einwohnerzahl, bereits als eine überbevölkerte Landschaft dar.
Die 1788 begonnene Kolonisation der Moorgebiete verfolgte zwei Ziele:
- Die Schaffung zusätzlicher Siedlerstellen und Anbauflächen sollte die Lebenssituation bäuerlicher, vor allem aber unterbäuerlicher Schichten verbessern. Dies entsprach den merkantilistischen Interessen des Bischofs.
- Die Kolonisation war zugleich eine grenzstabilisierende Maßnahme gegenüber den Gebietsansprüchen des benachbarten Hollands.
Die staatlichen Aktivitäten bei der Kolonisation beschränkten sich allerdings nur auf die Bereitstellung der Siedlerstellen und eine zehnjährige Steuerbefreiung.
Trotz der zu erwartenden enormen Schwierigkeiten bei der Erschließung und Urbarmachung des Moorlandes war die Resonanz auf das Kolonisationvorhaben des Fürstbischofs vor allem bei der besitzlosen Landbevölkerung groß. Die Kolonisten mussten aber bald feststellen, dass die Erträge ihrer Höfe nicht zur Existenzsicherung ausreichten.
Sie waren auf einen
Nebenerwerb angewiesen.
Heinrich Blanke, ein Bauer aus dem Emsland, berichtet:
"So kamen die Siedler mit wenigen Ausnahmen aus ferneren Gegenden des Vaterlandes, und man sagt, sie seien aus sieben verschiedenen Gegenden gekommen: aus dem Münsterland, Alt-Hannover, Hildesheim, Paderborn und sogar aus Holland und Brabant. Familie um Familie kamen angezogen, und es schien den alten Bewohnern des Emslandes, als ob eine Völkerwanderung eingesetzt habe. Doch viele kamen nur bis an den Rand des Moores. Aus Not und kümmerlichem Leben waren sie in der frohen Hoffnung weggegangen, bald einen großen Acker und wohlbestallten Hof ihr eigen nennen zu können. Beim Anblick des Moores verließ sie aber der Mut, und enttäuscht kehrten sie um. Und nur die Familien, die zu jedem Opfer und jeder entsagungsvollen Arbeit entschlossen waren, blieben. [...] Nur mit wenig Hab und Gut - und einer großen Schar Kinder - im buchstäblichen Sinne des Wortes arm, begannen die ersten Kolonisten ihr neues Leben. Da gings hart her. Da war keine Sippe und keine Gemeinschaft. Jeder sprach einen anderen Dialekt."