Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

1 wirtschaftliche Entwicklung der Russlanddeutschen

1.2 Landlose

1.2.3 Landerwerb

1.2.3.2 Waisenkasse

Hinterließ ein Kolonist unmündige Erben, so wurden ein oder zwei Vormünder eingesetzt. Gab es keine letztwillige Verfügung der Eltern hinsichtlich der Personen, die dieses Amt ausüben sollten, bestimmte das Schulzenamt den oder die Vormünder. Der Landanteil des Verstorbenen wurde verpachtet, sein bewegliches Vermögen versteigert. Um den Erlös der Auktion zu erhöhen, wurde den Käufern erlaubt, den Preis in kleineren Raten zu bezahlen.

Zur Kontrolle der Vormünder und der Verwaltung des Eigentums der Waisen wurden "Waisen - Älteste" gewählt, die das Geld gegen Zinsen verliehen. Zwar führten sie in der Regel ihr Amt ordentlich und gewissenhaft, aber immer wieder traten Probleme auf, wenn die Waisen volljährig wurden und das Geld von den Schuldnern eingetrieben werden sollte.

Um diesen Schwierigkeiten vorzubeugen, gründete man zum Beispiel im Bezirk Liebental 1830 eine Waisen-, Spar- und Hilfskasse. Ihr wurde das Waisenkapital übergeben.

Die Kasse gewährte für die Einlagen 4% Zinsen, für ausgereichte Kredite wurden 6% Zinsen verlangt. Aus der Differenz bildeten die Kassen ein Reservekapital.

Die Waisenkasse wurde im Verlauf ihrer Entwicklung zu einer kapitalkräftigen Institution, zumal später bei ihr auch die öffentlichen Gelder des Gebietes deponiert wurden. Zwischen 1848 und 1869 erhöhten sich bei der Liebentaler Waisen-, Spar- und Hilfskasse allein die Einlagen aus dem Waisengeld von 6.649 auf 127.972 Rubel.

Die Gesamteinlagen betrugen 1910 sogar 2 Millionen Rubel.

Dem Beispiel des Liebentaler Bezirkes wollten auch andere Kolonien folgen, um so Ordnung in die Verwaltung des Waisengeldes zu bringen. Entsprechende Bemühungen führten dazu, dass 1869 das Fürsorgekomitee die Kolonien anwies, nach dem Liebentaler Vorbild Waisen-, Leih- und Sparkassen einzurichten.

1890 verfügten die sechs Waisenkassen des Gouvernements Cherson sowie die 1885 gegründete Großliebentaler Kredit- und Sparkassengenossenschaft über 993.592 Rubel Waisenkapital und 142.057 Rubel Einlagen bzw. Eigenkapital.

(vgl. dazu im Kulturarchiv das Statut einer Küster-, Witwen- und Waisenkasse link aus dem Jahre 1843)
 
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