Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil III 1917 - 1955

2 Russlanddeutsche in der Sowjetunion der 20er Jahre

2.3 Auf dem Weg zur Sowjetautonomie an der Wolga

2.3.4 Der 1. und 2. Sowjetkongress der Wolgadeutschen

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Das Dekret der Sowjetregierung über die Bildung des Gebietes der Wolgadeutschen (Wolgakommune)

Der 1. Sowjetkongress mit 70 Delegierten aus den wolgadeutschen Kolonien kam am 30. Juni 1918 in Saratow zusammen. Sie beschlossen am 1. Juli, beim weiteren Aufbau der neuen Ordnung entsprechend den "Autonomie-Grundsätzen" den Sowjets die Kompetenz in "allen Fragen der Schul- und Kulturaufgaben sowie in der örtlichen Selbstverwaltung" zu übertragen. Der vorgesehene Vollzugsausschuss (Exekutivkomitee) konnte jedoch nicht gewählt werden, da die formale Zustimmung der sowjetischen Zentralregierung link noch ausstand. Das Kommissariat für deutsche Angelegenheiten an der Wolga unter Leitung E. Reuters wurde einfach bestätigt. Mit seinen Abteilungen für Kultur, Bildung, Wirtschaft und Recht hatte es bereits den Charakter einer regulären Regierung angenommen.

Der 2. Sowjetkongress der Wolgadeutschen vollendete den Sowjetaufbau. 277 ordentlich gewählte Delegierte aus 122 Kolonien, von Arbeitern aus Saratow, Gewerkschaften, sozialistischen Parteien und wolgadeutschen Rotarmisten berieten darüber vom 20. bis 24. Oktober 1918 in Seelmann. Sie gehörten zu den Ersten, die sich mit dem am 19. Oktober in Moskau vom Rat der Volkskommissare beschlossenen "Dekret über die Bildung des Gebietes der Wolgadeutschen" vertraut machten.

Mit diesem von W. I. Lenin unterzeichneten Dokument erfolgte die offizielle Anerkennung der vom 1. Sowjetkongress ausgerufenen Autonomie. Gemäß Artikel 11 der ersten sowjetrussischen Verfassung (Juli 1918) wurde die Bildung einer "Gebietsvereinigung mit dem Charakter einer Arbeitskommune link" aus jenen Ortschaften (Kolonien) festgeschrieben, die in den Kreisen Kamyschin und Atkarsk (Gouvernement Saratow) sowie Nowousensk und Nikolajewsk (Gouvernement Samara) bereits unter der Verwaltung des Kommissariats für deutsche Angelegenheiten standen. Darüber hinaus wurde der Gebrauch der deutschen Sprache in allen Bereichen des politischen und geistig-kulturellen Lebens in Punkt 7 des Dekrets abgesichert.

Die Kongressdelegierten lösten das Kommissariat ab und wählten laut Dekret ein aus 25 Personen bestehendes Exekutivkomitee. 23 von ihnen waren Kommunisten; Ernst Reuter wurde Vorsitzender – also "Regierungschef" (bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland Ende 1918).

Das Exekutivkomitee verfügte über die oberste Macht im autonomen Gebiet. In den einzelnen Kolonien lagen die Machtbefugnisse bei den örtlichen Sowjets. Bei Meinungsverschiedenheiten link zwischen dem Exekutivkomitee und russischen Gouvernementssowjets war die zentrale Sowjetregierung einzuschalten.
 
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