Die Zeit des Bürgerkrieges und des Kriegskommunismus mit ihren ständigen Rekrutierungen und Requirierungen hatten die deutschen Kolonien menschlich und wirtschaftlich ausgehöhlt. Die landwirtschaftlichen und anderen Betriebe waren durch Zerstörung, Verluste und Niedergang gekennzeichnet.
In der Landwirtschaft hatten sich infolge des Dekrets über den Grund und Boden sowie durch rigorose Beschneidung großbäuerlicher Wirtschaften, die sich der Getreidebeschaffung widersetzt hatten, beträchtliche Besitzveränderungen vollzogen. Angaben über das Untere Wolgagebiet besagen, dass hier etwa fünfzehn Prozent großbäuerlicher Wirtschaften liquidiert wurden und ein Drittel der Einzelhofwirtschaften einen Teil ihres Bodens verloren. Im Gouvernement Saratow sind gar in 187 Gemeinden von 366 die Einzelhofwirtschaften gänzlich verschwunden. Armbauern richteten sich auf dem ihnen übergebenen Boden vielfach in der vertrauten Dorfgemeinde (Mir) ein oder bildeten "Kommunen". Deutsche Kolonistenbauern waren in diese Prozesse eingebunden.
Die Ukraine, der Nordkaukasus und Sibirien mit ihren bedeutenden Getreideanbauzonen waren infolge des Bürgerkrieges für mehrere Jahre dem Machtbereich der Sowjets entzogen. Dadurch stieg das Wolgagebiet spätestens 1918 zum wichtigsten Getreidelieferanten Sowjetrusslands auf. In den Jahren 1919/1920 wurden dem autonomem Gebiet der Wolgadeutschen 14,5 Millionen Pud Getreide (1 Pud = 16,38 Kilogramm) entnommen. Gemessen an den 12 bis 20 Millionen Pud Getreide, die die Wolgabauern vor der Revolution auf den Markt brachten, war das nicht übermäßig viel. Doch in den Bürgerkriegsjahren gab es keine "normalen" Ernten mehr und die Vorräte waren erschöpft. Die Kolonien waren 1920 wirtschaftlich derart ausgelaugt, dass sie – auch wegen miserabler Witterungsbedingungen – eine nur dürftige Ernte einbrachten. Die Sowjetregierung erließ daher den Kolonisten auf Drängen der wolgadeutschen Sowjetarbeiter die Ablieferungsnorm.
Dennoch führte die Unzufriedenheit mit der vor Ort rigoros gehandhabten Getreidebeschaffung im Frühjahr 1921 zur blutigsten Bauernerhebung im autonomem Gebiet der Wolgadeutschen (vgl.
Thema ). Die zentrale Kommission zur Untersuchung des Aufstandes musste feststellen, dass die Praktiken der Ablieferungspflicht die wirtschaftlichen Grundlagen der Kolonisten nicht nur untergraben, sondern ihnen faktisch keinerlei Reserven belassen hatten. Die Erstattung eines "Mindestfonds an Lebensmitteln" an die Wolgakolonien wurde beschlossen.
Die furchtbare Dürre des Jahres 1921 mit der folgenden Hungersnot verhinderte, dass die NÖP im Wolgagebiet planmäßig umgesetzt werden konnte. Hingegen wurden außerordentliche Maßnahmen erforderlich. Den Wolgabauern stellte der Staat Saatgetreide für die Herbstaussaat, Futtermittel u. a. bereit. Andere Bestimmungen der NÖP wurden zugunsten der Kolonisten modifiziert. Das gleiche geschah wegen einer neuerlichen Missernte im Jahre 1922. Die NÖP wurde folglich in den Wolgakolonien erst 1923 vollends wirksam.