Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil 1 1763 - 1820

2 Abwerbung

2.3.4.2 Werber

Da mit der Veröffentlichung des Manifestes vom 22. Juli .1763 in Zeitungen und auf Flugblättern die ländliche Bevölkerung nur in unzureichendem Maße erreicht werden konnte, war der Einsatz von Werbern notwendig. Dabei handelte es sich um Agenten, die neben den "Kronkommissaren" (Beamte im Dienst der russischen Regierung) auftraten. Sie organisierten als Privatunternehmer die Werbung der Kolonisten und deren Abreise nach Russland. Einer der bekanntesten Werber war der Baron Ferdinand de Canneau de Beauregard link. In dieser Funktion tritt er auch in den so genannten Heymannschen Dokumenten link auf.

Außer einer Prämie von fünf bis zehn Rubeln für jede geworbene Familie erhielten die Werber für 100 Familien drei Parzellen in den Ansiedlungsgebieten. Als finanzielle Starthilfe kam ein zinsloser Zehnjahreskredit in Höhe von 4.000 Rubeln dazu. Die Werber erhielten zudem das Recht, mit den Auswanderern Sonderrechte und -leistungen zu vereinbaren. Welche Sonderrechte und -leistungen dem Werber dabei eingeräumt wurden, zeigt der Entwurf eines derartigen Ansiedlungsvertrages. Darin wurde dem Werber das Vorkaufsrecht auf alle Produkte eingeräumt, die der Siedler verkaufen wollte. Gleichzeitig konnte er aber den Preis nicht frei aushandeln. Dieser durfte nur so hoch sein, wie er allgemein von Dritten verlangt wurde. Der Siedler verpflichtete sich auch zur Zahlung des Zehnten, also des zehnten Teils von allen Getreideprodukten und dem Geflügel an den Leiter der Kolonie - den ehemaligen Werber.

1764 unterstanden 63 der insgesamt 104 Dörfer auf beiden Seiten der Wolga ehemaligen Werbern, die jetzt als Direktoren link fungierten. Gegen deren Ansprüche wehrten sich die Kolonisten.

Den Werbern wurde für jede von ihnen gewonnene Familie eine Prämie gezahlt. Auch hier ist Christian Gottlieb Züge ein gutes Beispiel. Als Handwerksgeselle dürfte er kaum die notwendige Qualifikation besessen haben, um sich in Russland als Bauernkolonist eine neue Lebensgrundlage aufzubauen. Diese Qualifikation wie auch den Willen, sich eine neue und bessere Lebensgrundlage aufzubauen, spricht Züge seinen Reisegefährten in seiner Charakterisierung ab, wobei andere ihm darin folgten (vgl. Ankunft im Siedlungsgebiet link).

Er war kein Einzelfall, wie die Ergebnisse einer 1769 von Katharina II. verfügten Inspektion der Wolgakolonien zeigten. Damals wurde festgestellt, dass rund 9 Prozent aller Kolonistenfamilien nicht für die Landwirtschaft geeignet waren. Von den 6.433 dort lebenden Familien waren es 579. Bei einer zweiten Inspektion 1774 stieg dieser Anteil sogar auf 10 Prozent. Dieser Zustand war aber nicht allein den Werbern anzulasten, sondern auch der russischen Regierung. Sie lies sich offenbar von dem Gedanken leiten, allein eine hinreichende Zahl von Menschen würde die Kolonisation erfolgreich gestalten.
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