Die eigene hoffnungslose wirtschaftliche Situation vor Augen, trafen die im Manifest vom 22. Juli 1763 enthaltenen Zusagen und die Beschreibungen der Werber über das gute Klima, die Fruchtbarkeit des Bodens und den Fischreichtum der Gewässer auf offene Ohren. Fisch, Geflügel, Gemüse und andere Lebensmittel sollten in den Siedlungsgebieten "fast umsonst zu bekommen" sein. Im Vergleich zur Not in der Heimat dürften dies paradiesische Zustände gewesen sein, die den Menschen in Aussicht gestellt wurden, die sich als Kolonisten meldeten.
Insgesamt zogen bis 1774 rund 30.000 Siedler nach Russland.
Jedoch zahlreiche Menschen überlebten die Strapazen auf den Reisewegen
nach Russland nicht. Viele starben vor Hunger oder wurden von Epidemien dahingerafft. Andere zogen es vor zu fliehen, weil sie den Mut vor der ungewissen Zukunft verloren hatten. So zogen bis 1774 rund 26.500 Kolonisten von Petersburg aus nach Saratow. Aber nur etwa 23.000 kamen dort an.
Bei der Ankunft in Russland geben
erste Eindrücke wieder, dass etliche der im Manifest zugesagten Freiheiten den Kolonisten nicht zugestanden wurden, so dass sich angesichts der unwirtlichen Steppenlandschaft und des dort herrschenden Klimas zunächst Mut- und Hoffnungslosigkeit breit machten.
Die Zusage, dass jeder Ausländer sich dort niederlassen dürfe "wo es sich ein jeder am nützlichsten selbst wählen wird", wurde ebenso wenig eingehalten wie das Versprechen, ein jeder dürfe sein erlerntes Gewerbe ausüben. Die Vorstellung, dass sie ihre handwerklichen Fähigkeiten und Kenntnisse in Städten nutzen und weitergeben könnten, zerschlug sich sehr schnell. Die Kolonisten sahen sich dem Zwang ausgesetzt, sich im Wolgagebiet anzusiedeln und dort eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, auch wenn viele von ihnen darin keine oder nur geringe Erfahrungen besaßen. Ihre berufsspezifischen Kenntnisse und Erfahrungen blieben ungenutzt.
Aber auch die Freiheit, das Russische Reich wieder verlassen zu können, wurde erheblich eingeschränkt. Im Manifest aus dem Jahr 1763 wurde zwar jedem Ausländer, der sich in Russland niedergelassen und sich mit dem Treueid der "Botmäßigkeit" der Krone unterworfen hatte, das Recht eingeräumt, das Land auch wieder verlassen zu können. Voraussetzung dafür war aber, dass abhängig von der Aufenthaltsdauer vorher ein bestimmter Prozentsatz vom erworbenen Vermögen abzuführen war. Wollte jemand innerhalb der ersten fünf Jahre das Reich wieder verlassen, so mussten zwanzig Prozent des "wohlerworbenen Vermögens" an die Krone abgeführt werden. Hatte man aber erst nach diesem Zeitabschnitt diese Absicht, so wurden nur noch 10 Prozent gefordert.
Außerdem musste vorher natürlich auch das Geld zurückgezahlt werden, das den Kolonisten in Form von Tagegeldern und als Starthilfe zum Erwerb von landwirtschaftlichen Geräten, Zugvieh und Saatgut zur Verfügung gestellt wurde.
Finanzielle Verpflichtungen und der Treueid machten eine legale Ausreise nahezu unmöglich. Es blieb nur die Flucht. Von Christian Gottlob Züge wissen wir, dass ihm dieses Unterfangen auf abenteuerlichen Wegen gelang und er in seine Heimatstadt zurückkehren konnte. Von anderen erfolglosen Versuchen wissen wir aber auch. So wurde eine Gruppe von Kolonisten, die versuchte, über Saratow in die Heimat zurückzukehren, von Kosaken in ihre Siedlungen zurückgetrieben. Andere wiederum wurden von Tataren überfallen und getötet.
Die Charakterisierung der
Kolonisten fiel sehr differenziert aus.
Übersicht der Siedlungsgebiete