Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

1 wirtschaftliche Entwicklung der Russlanddeutschen

1.4 Industrie und Handwerk

Im Wolgagebiet entwickelte sich vor allem Katharinenstadt als Gewerbe- und Industriezentrum weiter. Als Beispiel sei auf die dort ansässige Fabrik Schäfer verwiesen. Hier stellten vor dem Ersten Weltkrieg 300 bis 400 Arbeiter Pflüge, Wagen, Hirseschäler, Mühlen, Guss-Stücke und Putzmühlen link her. Die Putzmühlen, zum Teil auch auf der Bergseite in der Heimindustrie link hergestellt, wurden bis nach Sibirien, Turkestan und Bessarabien verkauft. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden bis zu 40.000 solcher Maschinen verkauft. Der Aufbau einer Mühlenindustrie link in den Wolgakolonien ermöglichte zudem den Verkauf des hochwertigeren Mehls. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges gab es hier 429 Windmühlen, 80 Wassermühlen und 122 Mühlen mit mechanischem Antrieb mit einer Gesamtkapazität von 220.000 Tonnen. Zentrum der Mühlenindustrie war Saratow mit den Firmen, "Konrad Reinecke & Söhne", den "Gebrüder Schmidt", "Emmanuel Borell & Söhne" sowie "David Seifert".

Neben dem Maschinenbau und der Mühlenindustrie ist auch die Holz verarbeitende Industrie zu nennen, die Deichselwagen, Möbel, Fässer und Webstühle produzierte.
kolonistenwagen
Im Vergleich zu den Wolgakolonien vollzog sich die industrielle Entwicklung in den südrussischen Kolonien schneller. Das Festhalten am alten Erbrecht hatte schon früh eine wachsende Anzahl von Landlosen hervorgebracht, die sich ihren Lebensunterhalt als Handwerker verdienen mussten. Eine breite zahlungsfähige Schicht von Bauern zeigte wachsenden Bedarf an handwerklichen Erzeugnissen für ihre Wirtschaft, wodurch die Handwerksproduktion stimuliert und ihre Differenzierung gefördert wurde. Fehlte es zunächst in den meisten Kolonien Südrusslands an bestimmten Handwerkern (z.B. an Schmieden, an Tischlern, an Maurern und an Zimmerleuten), so wuchs deren Zahl aber bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in allen Koloniebezirken stetig an. Die deutschen Handwerker setzten einen großen Teil ihrer Produkte bei ukrainischen Bauern ab. Hervorzuheben ist hier die Produktion und der Verkauf von Pferdewagen (Plan- und Leiterwagen), die ihre Tauglichkeit sogar als Armeeausrüstung während des Krimkrieges unter Beweis gestellt hatten. Die Zahl der Wagenbauer stieg bei den Molotschnaer Mennoniten von 33 (1837) auf 80 (1866) an. Im Kutschurganer Bezirk blieb der Wagenbau bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges das wichtigste Gewerbe.

Mit dem Bau größerer Fabriken und dem Aufbau eines funktionierenden Vertriebssystems kam es zur Bildung industrieller Zentren link, die zahlreiche Produkte auf den russischen Markt brachten und wichtige Teile der gesamtrussischen Wirtschaft waren.
 
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