Bereits die allerersten Schritte zur Autonomie begleiteten Aktivitäten zur Lösung der dringlichen Schulfrage. Die Grundlagen, Strukturen und Bildungsinhalte des neuen Schulwesens in der Wolgaregion wurden durch die
Prinzipien bestimmt, die sich die Sowjetmacht auf die Fahnen geschrieben hatte. Die Verstaatlichung aller öffentlichen und privaten Schulen und deren Unterstellung unter das Volkskommissariat für das Bildungswesen waren eine grundlegende Voraussetzung. Eine Eigenständigkeit, die auch kolonistische Traditionen beachtete, wurde so kaum möglich.
Durch Krieg, Revolution und Hungerjahre war das gesamte Schulsystem zu Beginn der zwanziger Jahre in arge Mitleidenschaft gezogen worden. In den meisten Kolonien gab es keinen Unterricht mehr. Erst die Gründung der Wolgarepublik bewirkte die Herstellung geordneter Schulverhältnisse für alle Kinder.
In den schweren Anfangsjahren konnten Fortschritte im Schulwesen nur schrittweise erreicht werden. Die Schulgebäude befanden sich in einem desolaten Zustand. Die Zahl der
schulpflichtigen Kinder musste in mühsamen Aktionen ermittelt werden. Eine weitere wesentliche Aufgabe in der Bildungsarbeit stellte die
Überwindung des Analphabetentums dar.
Der enorme
Lehrermangel und damit im Zusammenhang die angestrebte "Verdeutschung" der Schulen sollten sich bis zum Ende der zwanziger Jahre als Dauerproblem beim Aufbau des Bildungswesens der ASSR erweisen. Der Lehrermangel konnte u. a. durch die Einrichtung von "pädagogischen Technika" schrittweise reduziert werden. Bedeutsam für die Heranbildung von Lehrern – vor allem auch für höhere Schulen – war die Eröffnung der
Pädagogischen Hochschule in Pokrowsk 1930.
Mit der spürbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Situation Mitte der zwanziger Jahre wurden die Investitionen im Bildungswesen deutlich erhöht. Neben der Errichtung zahlreicher Schulneubauten konnten die Klassenfrequenzen bei gleichzeitig wachsender Schülerzahl weiter reduziert und die
Schulstrukturen vervollkommnet werden. Bei Schuljahresanfang 1929/30 standen beispielsweise in den Kolonistendörfern 50 Schulneubauten zur Verfügung.
Mit Beginn des Schuljahres 1930/31 konnte in der Wolgarepublik die allgemeine Schulpflicht für Kinder von acht bis elf Jahren eingeführt werden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt erfolgte der Unterricht in allen Grundschulen der 1. Stufe in deutscher Sprache.
Berufliche Fachausbildung war über Technika unterschiedlichster Ausrichtung möglich. Für die höhere Bildung existierten 1931 in der ASSR zehn Fachhochschulen, zwei Arbeiterfakultäten, die Pädagogische Hochschule sowie eine Parteihochschule. Darüber hinaus bestanden seit 1928 an der Universität Saratow und an ihrer Pädagogischen Fakultät jeweils eine deutsche Abteilung mit wolgadeutschen Studenten.
Etwas völlig Neues im Bildungssystem war die Schaffung von Kindergärten (1922 bereits 51) und von Kinderheimen (1922 43). Die meisten der frühen Gründungen waren mit dem Erbe der Hungerkatastrophe verknüpft – sie nahmen die Waisenkinder auf.