Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil III 1917 - 1955

5 Der Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion und die Konsequenzen für die Russlanddeutschen

5.3 Sondersiedlungen und Arbeitsarmee

Nach der Ankunft in den Bestimmungsgebieten wurden die Deportierten sofort unter die Aufsicht der "Hauptverwaltung für Sondersiedlungen" des NKWD (Volkskommissariat des Innern) gestellt. Diese Siedlungen mussten von den Ankömmlingen in der Regel erst noch errichtet werden. Teilweise wurden sie aber auch bei einheimischen Familien einquartiert. Die Strapazen der Transporte, die anhaltend ungenügende Verpflegung und die zumeist elenden Unterbringungsbedingungen ebenso wie die Schwerstarbeit und der seelische Terror forderten viele Tausend Tote unter den Deportierten. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt. Und auf die Überlebenden warteten weitere Schrecken.

Ab Januar 1942 wurden die russlanddeutschen Familien endgültig auseinander gerissen. Ausgehend vom Befehl des staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR vom 10. Januar 1942 waren alle Männer im Alter von 17 bis 50 Jahre in so genannte Arbeitsarmeen (Trudarmee) zusammenzufassen. Im Oktober 1942 wurde diese Altersbegrenzung auf 15 bis 55 Jahre erweitert. Nunmehr erfolgte auch die Mobilisierung von Frauen im Alter von 16 bis 45 Jahren für die Arbeitsarmeen, soweit sie keine Kinder unter drei Jahren hatten. (Vgl. Rundschreiben link zur Mobilisierung der Deutschen in der Altai-Region)
heiratsurkunde
Den Ausgangspunkt zur Schaffung von Arbeitsarmeen bildete ein von Stalin erlassener Befehl vom 8. September 1941 link. Demnach sollten alle Angehörigen der Roten Armee deutscher Herkunft entlassen, in speziellen Arbeitsbataillonen bzw. -kolonnen zusammengefasst und im Hinterland eingesetzt werden.

Der Befehl vom 10. Januar 1942 enthielt nicht nur die Mobilisierung der deutschen Männer für die Arbeitsarmeen, sondern auch Bestimmungen über das Regime der Arbeitskolonnen. Demzufolge waren alle Betroffenen den Bedingungen und Arbeitsnormen der sowjetischen Straflager – dem berüchtigten System des GULAG – unterworfen. Sie wurden unter dem harten Sonderregime – militärisch organisierter und völlig rechtloser Zwangsarbeitsdienst – beim Aufbau von evakuierten Industrieanlagen, im Berg-, Straßen- und Bahnbau sowie in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt. Die Trudarmisten waren zumeist in Baracken oder Erdhütten hinter Stacheldraht und Wachtürmen untergebracht.

In Fortsetzung ihrer bereits weiter oben wiedergegebenen Schilderungen zur Deportation aus den Heimatorten berichteten uns die befragten Zeitzeugen über die furchtbaren Lebensbedingungen der Trudarmisten und über das unvorstellbare Elend und Leid, das über die russlanddeutschen Familien hereingebrochen war. Allen ist diese Zeit bis heute wie ein Trauma in Erinnerung geblieben (Erlebnisberichte: Katharina Torno link, Heinrich Dorn link, Viktor Heidelbach link, Ida Schmidt link sowie Otto Dreit als ehemaliger Angehöriger der Roten Armee).

Trotz der unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen erbrachten sie herausragende Arbeitsergebnisse [siehe Quellen 43/2] link.
Diese veranlassten staatliche Stellen auch Russlanddeutsche mit der Medaille für heldenhafte Arbeit im Großen Vaterländischen Krieg auszuzeichnen [siehe Quellen 42/2] link .

Trotz der extrem schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen verloren die Russlanddeutschen nicht den Glauben an eine bessere Zukunft. Ausdruck dieser optimistischen Grundeinstellung waren Eheschließungen [anbei Kopie einer Hochzeitsurkunde] unter Trudarmisten.
 
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