Russlanddeutsche in der UdSSR nach 1956
Resignation, Rückkehr, Integration
Mit der Aufhebung der Sonderbedingungen und den Einschränkungen ihrer Rechtsstellung erhielten die Russlanddeutschen die Möglichkeit, ihr Leben neu einzurichten.
Ab 1956 begannen sie vor allem, Angehörige und Bekannte zu suchen, von denen sie 10 bis 15 Jahre vorher getrennt worden waren. Es setzte eine regelrechte Binnenwanderung ein, die zu einer
völlig neuen Bevölkerungsverteilung der Russlanddeutschen führte.
Infolge langjähriger Arbeit in Bergbau und Industrie während der Deportationszeit und in der Trudarmee (trudowaja armija = Arbeitsarmee) kam es zu einer
soziale Umschichtung unter den Russlanddeutschen.
Ab 1957/58 wurde gemäß einer Verordnung des Bildungsministeriums der RSFSR vom 9. April 1957 an sowjetischen Schulen der
Deutschunterricht wieder eingeführt, entstanden deutsche Schulen. Lehrer- und Lehrmittelmangel bewirkten jedoch, dass dieser Prozess nur langsam in Gang kam. Für die Generation der Russlanddeutschen, die in den Kriegsjahren geboren worden war und wegen der Umstände nur unregelmäßig die Schule besuchen konnte, bedeutete dies zusätzliche Erschwernisse in ihrem Bildungsweg.
Die Pflege der deutschen Sprache wurde nun auch über
Medien wie deutsche Zeitungen, Bücher sowie Rundfunk- und Fernsehensendungen möglich.
1957 wurden die ersten
kirchlichen Gemeinden wieder registriert und staatlich zugelassen.
Unter den Russlanddeutschen mehrten sich die Forderungen nach vollständiger Rehabilitierung und Wiederherstellung der autonomen Wolgarepublik. Mit dem Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom
29. August 1964 erfolgte jedoch nur eine teilweise Rehabilitierung: Der pauschale Vorwurf der Kollaboration mit dem Feind während des Krieges wurde nicht zurückgenommen. Den Russlanddeutschen wurde Hilfe und Unterstützung in ihren neuen Siedlungsgebieten innerhalb der UdSSR zugesichert.
Im Zuge der neuen Ostpolitik unterzeichnete die Bundesregierung Brandt-Scheel am 12. August 1970 den
Moskauer Vertrag mit der UdSSR. Für Russlanddeutsche war es nun leichter, die Sowjetunion zu verlassen.
Eine weitere Normalisierung des Lebens der Russlanddeutschen brachte der Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 3. November 1972, in dem nun wesentliche
Einschränkungen in der Wahl des Wohnortes aufgehoben wurden.
Um die Russlanddeutschen im Land zu halten – sie waren geschätzte Arbeitskräfte und die Zahl der
Ausreisewilligen hatte stark zugenommen – versuchte die Regierung der UdSSR 1979, in Kasachstan ein
autonomes Gebiet für die Russlanddeutschen zu schaffen.